Tonsillopharyngitis

(Tonsillitis; Pharyngitis)

VonAlan G. Cheng, MD, Stanford University
Überprüft/überarbeitet Feb. 2024
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Bei einer Tonsillopharyngitis handelt es sich um eine akute Rachen- und/oder Gaumenmandelinfektion. Als Symptome können Halsentzündung, Odynophagie, zervikale Lymphadenopathie und Fieber auftreten. Die Diagnose wird klinisch gestellt und kann durch Kultur oder Antigen-Schnelltests gesichert werden. Die Behandlung richtet sich nach den Beschwerden und erfolgt im Fall von Beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A mit Antibiotika.

Die Tonsillen sind am Immunsystem des Körpers (Immunosurveillance) beteiligt. Darüber hinaus spielen Antigen-Antikörper-Reaktionen, die unter Beteiligung der B- und T-Zellen in ihrer Plattenepithelschicht ablaufen, eine Rolle in der lokalen Abwehr.

Tonsillopharyngitis jeglicher Art ist eine sehr häufige Ursache für Praxisbesuche bei Hausärzten.

(Siehe auch Streptokokkeninfektionen.)

Ätiologie der Tonsillopharyngitis

Eine Tonsillopharyngitis ist oft viral bedingt, meist durch einen Virusinfekt (Adeno-, Rhino-, Grippe-, Corona- und Respiratory-Syncytial-Viren), aber manchmal auch durch eine Epstein-Barr-, Herpes-simplex-, Zytomegalie- oder HIV-Infektion.

Bei etwa 30% der Patienten findet sich eine bakterielle Ursache (1). Am häufigsten sind beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (BHSGA) (siehe Streptokokkeninfektionen), doch ab und zu sind auch Staphylococcus aureus, Streptococcus pneumoniae, Mycoplasma pneumoniae und Chlamydia pneumoniae beteiligt. Seltener wird die Infektion durch Fusobacterium oder die Erreger von Keuchhusten, Diphtherie, Syphilis und Gonorrhö ausgelöst.

Eine BHSGA-Infektion tritt vorwiegend im Alter zwischen 5 und 15 Jahren und nur selten bei Kindern unter 3 Jahren auf. Bei älteren Erwachsenen ist sie weniger verbreitet.

Hinweis zur Ätiologie

  1. 1. Pichichero ME: Group A streptococcal tonsillopharyngitis: cost-effective diagnosis and treatment. Ann Emerg Med 25 (3):390–403, 1995. doi: 10.1016/s0196-0644(95)70300-4

Symptome und Anzeichen von Tonsillopharyngitis

Schmerzen beim Schlucken sind das Kennzeichen der Tonsillopharyngitis und werden oft auf die Ohren übertragen. Da Kleinkinder meist noch nicht sprechen bzw. über Halsschmerzen klagen können, weigern sie sich einfach, zu essen. Hohes Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden sind gängige Symptome, genauso wie schlechter Atemgeruch (Halitosis) und belegte Stimme. Die geschwollenen und geröteten Tonsillen haben oft eitrige Beläge. Eine druckempfindliche Vergrößerung der Halslymphknoten ist ebenfalls möglich. Fieber, Adenopathie, palatinale Petechien und Exsudate treten bei GABHS etwas häufiger auf als bei viraler Tonsillopharyngitis, aber es gibt viele Überschneidungen; sowohl Tonsillopharyngitis als auch GABHS können Petechien verursachen. Bei GABHS kann ein scarlatinförmiger Hautausschlag (Scharlach) auftreten.

GABHS verschwinden in der Regel innerhalb von 7 Tagen, mit oder ohne Antibiotika. Unbehandelt können GABHS zu lokalen eitrigen Komplikationen (z. B. Peritonsillarabszess oder Peritonsillitis) und manchmal zu rheumatischem Fieber oder Glomerulonephritis führen.

Diagnose von Tonsillopharyngitis

  • Klinische Abklärung

  • Beta-hämolytische Streptokokken der Gruppe A (GABHS), die routinemäßig oder selektiv durch Antigen-Schnelltest, Kultur oder beides ausgeschlossen werden

Die Pharyngitis selbst lässt sich klinisch leicht feststellen, nicht aber ihre Ursache. Schnupfen und Husten weisen oft auf eine virale Ursache hin. Für eine infektiöse Mononukleose sprechen schmerzhafte Nackenlymphknoten oder eine generalisierte Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie, Abgeschlagenheit/allgemeines Krankheitsgefühl > 1 Woche, eine Angina mit Petechien am weichen Gaumen sowie dick belegte Mandeln. Auf die heute in westlichen Ländern selten gewordene Diphtherie deutet eine schmutzig graue, dicke, zähe Membran hin, die blutet, wenn man sie abzustreifen versucht.

Da sie eine Antibiotikatherapie erforderlich macht, muss eine BHSGA-Infektion früh diagnostiziert werden. Doch die diagnostischen Testkriterien sind umstritten. Vielfach wird für alle Kinder ein Antigen-Schnelltest oder das Anlegen von Kulturen empfohlen. Schnelltests eignen sich zum spezifischen Antigennachweis, sind aber nicht sensitiv genug, sodass sich unter Umständen noch eine Kultur (zu rund 90% spezifisch und zu 90% sensitiv) anschließen muss. Bei Erwachsenen empfehlen viele Experten die Anwendung der folgenden vier Kriterien des modifizierten Centor-Core (1):

  • Fieber in der Vorgeschichte

  • tonsilläre Ausscheidungen

  • Fehlen von Husten

  • schmerzhafte anteriore zervikale Lymphadenopathie

Trifft nur eines oder keines dieser Kriterien zu, ist eine BHSGA-Infektion sehr unwahrscheinlich und die Patienten brauchen sich keinem Test zu unterziehen. Sind zwei Kriterien erfüllt, kann ein Test durchgeführt werden. Wenn drei oder vier Kriterien zutreffen, können die Patienten erst noch getestet oder gleich empirisch gegen BHSGA behandelt werden.

Diagnosehinweis

  1. 1. Fine AM, Nizet V, Mandl KD: Large-scale validation of the Centor and McIsaac scores to predict group A streptococcal pharyngitis. Arch Intern Med 172 (11):847–852, 2012. doi: 10.1001/archinternmed.2012.950

Behandlung von Tonsillopharyngitis

  • Symptomatische Therapie

  • Antibiotika bei BHSGA

  • Tonsillektomie bei wiederholter BHSGA

Unterstützende Behandlungen für Tonsillopharyngitis umfassen Analgesie, Hydratation und Ruhe. Die Analgetika können systemisch oder topisch angewendet werden. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind in der Regel wirksame systemische Analgetika. Einige Kliniker verabreichen auch eine Einzeldosis eines Kortikosteroids (z. B. 10 mg Dexamethason i.m.), was dazu beitragen kann, die Dauer der Symptome zu verkürzen ohne die Rückfallquote oder Nebeneffekte zu beeinflussen (1). Kortikosteroide werden häufig zur Behandlung von Tonsillopharyngitis eingesetzt, da sie die Schmerzen lindern und die Nahrungsaufnahme fördern können. Einige Ärzte verzichten auf den Einsatz von Kortikosteroiden aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen.

Topische Analgetika sind als Lutschtabletten und als Sprays verfügbar. Inhaltsstoffe sind Benzocain, Phenol, Lidocain und andere Substanzen. Diese topischen Analgetika können zwar Schmerzen lindern, müssen jedoch immer wieder verwendet werden und beeinträchtigen häufig den Geschmack. Die Anwendung von Benzocain bei Pharyngitis hat in seltenen Fällen eine Methämoglobinämie verursacht. Die Dosierung von topischen Analgetika muss manchmal begrenzt werden.

Bei BHSGA-Tonsillopharyngitis (2) gilt Penicillin V (2-mal 250 mg pro Tag oral über 10 Tage bei einem Körpergewicht < 27 kg bzw. 2-mal 500 mg bei einem Gewicht > 27 kg) als Mittel der Wahl. Auch Amoxicillin ist wirksam und schmeckt zudem besser, wenn eine flüssige Zubereitungsform nötig ist. Falls Bedenken wegen der Compliance bestehen, kann eine Einzeldosis Benzathinpenicillin (1,2 Mio. I.E. i.m. bzw. 600.000 I.E. für Kinder 27 kg) sinnvoll sein. Andere orale Antibiotika sind Makrolide für Patienten, die gegen Penicillin allergisch sind, ein Cephalosporin der ersten Generation und Clindamycin. Gurgeln mit mit Wasser verdünntem OTC-Wasserstoffperoxid in einer 1:1-Mischung wird Debridement fördern und die oropharyngeale Hygiene verbessern.

Man kann unverzüglich mit der Behandlung beginnen oder erst noch die Kulturergebnisse abwarten. Fallen sie negativ aus, sollte eine auf Verdacht begonnene Therapie wieder abgebrochen werden. Zur Nachsorge müssen nicht routinemäßig Kulturen von Rachenabstrichen angelegt werden. Doch bei einer mehrfach rezidivierenden BHSGA-Infektion oder bei Ansteckungsgefahr für enge häusliche oder schulische Kontaktpersonen von Pharyngitis-Patienten können sie sich als nützlich erweisen.

Tonsillektomie

Bei wiederholten Rezidiven einer BHSGA-Tonsillitis (> 6 Episoden/Jahr, > 4 Episoden/Jahr innerhalb von 2 bzw. > 3 Episoden/Jahr innerhalb von 3 Jahren) oder einer schweren akuten, trotz Antibiotikagabe persistierenden Infektion ist oft eine Tonsillektomie in Erwägung gezogen worden. Weitere Kriterien für eine Tonsillektomie sind obstruktive Schlafapnoe, ein rezidivierender Peritonsillarabszess und der Verdacht auf eine Krebserkrankung. (Siehe auch American Academy of Otolaryngology–Head and Neck Surgery Clinical Practice Guideline: Tonsillectomy in Children [Update].) Die Entscheidungen sollten individuell sein, basierend auf Alter des Patienten, mehrere Risikofaktoren und Reaktion auf Rezidive von Infektion (3).

Für die Tonsillektomie werden zahlreiche wirksame chirurgische Techniken eingesetzt, darunter Elektrokauterisierung, Mikrodébridement, Radiofrequenzablation und scharfe Dissektion. Eine postoperative intravenöse Rehydrierung ist bei 3% der Patienten erforderlich, möglicherweise bei weniger Patienten, die eine optimale präoperative Hydratation, perioperative Antibiotika, Analgetika und Kortikosteroide erhalten haben. Bei < 2% der Patienten tritt eine signifikante intra- oder postoperative Blutung auf, meist innerhalb von 24 Stunden nach dem Eingriff oder nach rund 7 Tagen, wenn sich der Wundschorf ablöst. Patienten mit Blutung sollten ein Krankenhaus aufsuchen. Wenn die Blutung bei der Einlieferung anhält, werden die Patienten in der Regel im Operationssaal untersucht, und es wird eine Hämostase erreicht. Jedes Blutgerinnsel, das sich in der Mandelgrube (Fossa tonsillaris) gebildet hat, wird entfernt, und die Patienten bleiben unter 24-stündiger Beobachtung.

Eine postoperative Atemwegsobstruktion tritt am häufigsten bei Kleinkindern < 2 Jahren mit vorbestehenden schweren obstruktiven Schlafstörungen und bei Patienten mit krankhafter Adipositas oder neurologischen Störungen, kraniofazialen Anomalien oder erheblicher präoperativer obstruktiver Schlafapnoe auf. Im Allgemeinen kommt es bei Erwachsenen häufiger und zu ernsteren Komplikationen.

Es häufen sich die Hinweise, dass die Tonsillotomie (partielle intrakapsuläre Entfernung von Tonsillengewebe), wenn sie zur Behandlung verschiedener Erkrankungen durchgeführt wird, genauso wirksam ist wie die traditionelle Tonsillektomie und wegen der besseren Ergebnisse in Bezug auf Schmerzen, postoperative Komplikationen und Patientenzufriedenheit bevorzugt wird (4, 5).

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Hayward G, Thompson MJ, Perera R, et al: Corticosteroids as standalone or add-on treatment for sore throat. Cochrane Database Syst Rev., 2012. doi: 10.1002/14651858.CD008268.pub2

  2. 2. Shulman ST, Bisno AL, Clegg HW, et al: Clinical practice guideline for the diagnosis and management of group A streptococcal pharyngitis: 2012 update by the Infectious Diseases Society of America. Clin Infect Dis 15;55 (10):e86-102, 2012. doi: 10.1093/cid/cis629 Epub 2012 Sep 9.

  3. 3. Ruben RJ: Randomized controlled studies and the treatment of middle-ear effusions and tonsillar pharyngitis: how random are the studies and what are their limitations? Otolaryngol Head Neck Surg. 139(3):333-9, 2008. doi: 10.1016

  4. 4. Wong Chung JERE, van Benthem PPG, Blom HM: Tonsillotomy versus tonsillectomy in adults suffering from tonsil-related afflictions: a systematic review. Acta Otolaryngol 138(5):492-501, 2018. doi: 10.1080/00016489.2017.1412500

  5. 5. Blackshaw H, Springford LR, Zhang L-Y, et al: Tonsillectomy versus tonsillotomy for obstructive sleep-disordered breathing in children. Cochrane Database Syst Rev 4 (4):CD011365, 2020. doi: 10.1002/14651858.CD011365.pub2

Wichtige Punkte

  • Die Pharyngitis selbst ist klinisch leicht zu erkennen; in 25 bis 30% der Fälle ist jedoch wahrscheinlich ein Test erforderlich, um festzustellen, ob es sich um eine Streptokokkeninfektion (d. h. Streptokokken im Hals) handelt.

  • Klinische Kriterien (modifizierter Centor-Score) können dabei helfen, Patienten für weiteregehende Tests oder eine empirische antibiotische Behandlung auszuwählen, obwohl einige Experten das Testen aller Kinder mit einem Antigen-Schnelltest und gelegentlich durch Anlegen einer Kultur empfehlen.

  • Penicillin bleibt das Mittel der Wahl bei Streptokokkenpharyngitis; Cephalosporine oder Makrolide sind Alternativen für Patienten, die allergisch auf Penicillin reagieren.