Totale parenterale Ernährung

VonDavid R. Thomas, MD, St. Louis University School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Apr. 2022
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Parenterale Nahrung wird per definitionem IV verabreicht.

Die teilweise parenterale Ernährung deckt den täglichen Nährstoffbedarf unvollständig und ergänzt lediglich die orale Zufuhr. Krankenhauspatienten erhalten nach dieser Ernährungsmethode Dextrose- oder Aminosäurelösungen.

Die totale parenterale Ernährung (TPE) liefert sämtliche täglich benötigten Nährstoffe. Sie wird im Krankenhaus oder zu Hause gegeben. Da TPE-Lösungen konzentriert sind und zu einer Thrombose der peripheren Venen führen können, ist für diese Ernährungsform ein zentraler Venenkatheter erforderlich.

Die parenterale Ernährung sollte nicht routinemäßig bei Patienten mit intaktem Gastrointestinaltrakt eingesetzt werden. Verglichen mit enteraler Ernährung hat sie folgende Nachteile:

  • Sie verursacht mehr Komplikationen.

  • Sie bewahrt nicht die Struktur und Funktion des Magendarmtrakts.

  • Sie ist teurer.

(Siehe auch Übersicht über unterstützende Maßnahmen zur Ernährung.)

Indikationen

Die totale parenterale Ernährung ist vielleicht die einzige praktikable Option für Patienten, die nicht über einen funktionierenden Gastrointestinaltrakt verfügen, oder die an Störungen leiden, die eine vollständige Schonung des Darms verlangen, wie die folgenden:

  • Einige Stadien bei Colitis ulcerosa

  • Darmverschluss

  • Bestimmte pädiatrische Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts (z. B. angeborene gastrointestinale Anomalien, anhaltende Diarrhö unabhängig von der Ursache)

  • Kurzdarmsyndrom aufgrund einer Operation

Nährstoffgehalt

Totale parenterale Ernährung benötigt Wasser (30 bis 40 ml/kg/Tag), Energie (30 bis 35 kcal/kg/Tag, je nach Energieaufwand; bis zu 45 kcal/kg/Tag für schwerkranke Patienten), Aminosäuren (1,0 bis 2,0 g/kg/Tag, je nach Grad des Katabolismus), essenzielle Fettsäuren, Vitamine und Mineralien (siehe Tabelle Grundlegende tägliche Bedürfnisse der Erwachsenen für die gesamte parenterale Ernährung).

Für Kinder, die vollständig parenteral ernährt werden müssen, besteht ein anderer Flüssigkeitsbedarf, zudem brauchen sie mehr Energie (bis zu 120 kcal/kg/Tag) und Aminosäuren (bis zu 2,5 oder 3,5 g/kg/Tag).

Tabelle
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Totale parenterale Ernährung-Grundlösungen werden unter Anwendung steriler Techniken zur Infusion vorbereitet und in Literbeuteln nach standardisierten Rezepturen verabreicht. Normalerweise benötigt ein Patient von der Standardlösung 2 l/Tag. Die Lösungen lassen sich je nach Laborwerten, bestehenden Krankheiten, Hypermetabolismus oder weiteren Parametern modifizieren.

Die meisten Kalorien werden als Kohlenhydrate zugeführt. Normalerweise werden etwa 4–5 mg/kg/min Dextrose gegeben. Standardlösungen enthalten etwa bis zu 25% Dextrose, aber die Menge und Konzentration ist abhängig von anderen Faktoren wie dem metabolischen Bedarf und dem Anteil des Kalorienbedarfs, der in Form von Lipiden verabreicht wird.

Im Handel erhältliche Lipidemulsionen werden oft zugegeben, um essenzielle Fettsäuren und Triglyzeride zur Verfügung zu stellen; 20–30% der Gesamtkalorien werden gewöhnlich als Lipide verabreicht. Jedoch unterstützt das Zurückhalten von Lipiden und deren Kalorien bei fettleibigen Patienten die Mobilisierung endogener Fettspeicher und erhöht die Insulinsensibilität.

Totale parenterale Ernährungslösungen

Es werden gewöhnlich viele verschiedene Lösungen zur totalen parenteralen Ernährung verwendet. Elektrolyte können zugefügt werden, um den Patientenbedarf zu decken.

In Abhängigkeit vom Vorliegen anderer Erkrankungen und vom Alter des Patienten werden folgende Lösungen zur totalen parenteralen Ernährung verwendet:

  • Bei nicht dialysepflichtiger Niereninsuffizienz oder bei Leberinsuffizienz: reduzierter Proteingehalt und ein hoher Anteil essenzieller Aminosäuren

  • Bei Herz- oder Nierenversagen: beschränkte Flüssigkeitszufuhr

  • Bei Ateminsuffizienz: Fettemulsion, die den größten Teil der Nichtproteinkalorien zuführt, um die Kohlenstoffdioxid-Produktion durch den Kohlenhydratstoffwechsel zu minimieren

  • Für Neugeborene: Dextrose in geringerer Konzentration (17–18%)

Beginn der totalen parenteralen Ernährung

Da der zentralvenöse Katheter lange Zeit an Ort und Stelle bleiben muss, muss bei der Einführung und Wartung der totalen parenteralen Ernährungslinie eine strenge sterile Technik angewendet werden. Der Schlauch für die totale parenterale Ernährung darf nicht für andere Zwecke verwendet werden. Das externe System sollte einmal täglich beim Anhängen des ersten Nahrungsbeutels gewechselt werden. Filter im System haben noch nicht bewiesen, dass sie geeignet sind, Komplikationen zu verringern. Der Verband bleibt steril und wird gewöhnlich alle 48 h erneuert.

Wird ein Patient außerhalb des Krankenhauses vollständig parenteral ernährt, muss er darin unterwiesen werden, Infektionszeichen zu erkennen. Zudem ist eine qualifizierte Krankenpflege zu Hause zu organisieren.

Die TPE-Lösung wird zu Beginn langsam, mit 50% des berechneten Bedarfs verabreicht. Dabei wird 5%ige Dextroselösung verwendet, um die Flüssigkeitsbilanz auszugleichen. Energie und Stickstoff sollten gleichzeitig zugeführt werden. Die Menge des regelmäßig gegebenen Insulins, das der Lösung für die totale parenterale Ernährung direkt zugefügt wird, richtet sich nach dem Blutzuckerwert; ist dieser normal und enthält die verabreichte Lösung die üblichen 25% Dextrose, beträgt die Anfangsdosis 5–10 I.E. Altinsulin/l.

Überwachung

Fortschritte von Patienten mit einer totalen parenteralen Ernährungslinie sind über ein Ablaufdiagramm zu beobachten. Gegebenenfalls überwacht ein interdisziplinäres Ernährungs-Team die Patienten. Ein vollständiges Blutbild sollte erstellt werden. Gewicht, Elektrolyte und Harnstoffstickstoffwerte des Bluts sollten regelmäßig, im Krankenhaus täglich, kontrolliert werden. Die Plasmaglukosewerte sollten alle 6 h kontrolliert werden, bis Patienten und Blutzuckerspiegel stabil sind. Die Flüssigkeitsein- und -ausfuhr wird kontinuierlich bilanziert. Bleibt der Zustand des Patienten stabil, können Blutuntersuchungen seltener vorgenommen werden.

Die Lebertests sollte geprüft werden. Plasmaproteine (z. B. Serumalbumin, eventuell Transthyretin oder Retinol-bindendes Protein), die Plasma- und Urinosmolalität sowie Kalzium, Magnesium und Phosphat sollten zweimal wöchentlich bestimmt werden. Veränderungen bei Transthyretin und Retinol-bindendem Protein spiegeln eher den gesamten klinischen Status wider als den Ernährungszustand allein. Wenn möglich sollten Bluttests nicht während der Glukoseinfusion erfolgen.

Eine vollständige Beurteilung des Ernährungszustands, inkl. einer Berechnung des BMI und anthropometrischer Messungen, ist alle 2 Wochen durchzuführen.

Komplikationen

Etwa 5–10% der Patienten mit einer totalen parenteralen Ernährungslinie zeigen Komplikationen im Zusammenhang mit dem zentralvenösen Zugang.

Die katheterbezogenen Sepsisraten haben sich seit der Einführung von Richtlinien verringert, die sterile Techniken für die Kathetereinführung und Hautpflege um die Einführstelle herum hervorheben. Der zunehmende Einsatz engagierter Teams von Ärzten und Krankenschwestern, die sich auf verschiedene Verfahren einschließlich der Kathetereinführung spezialisiert haben, hat auch zu einer Abnahme der Katheterinfektionsraten geführt.

Glukoseanomalien (Hyperglykämie oder Hypoglykämie) oder Leberfunktionsstörungen kommen bei > 90% der Patienten vor.

Anomalien des Glukosespiegels treten häufig auf. Hyperglykämische Zustände lassen sich vermeiden, indem des Öfteren Plasmaglukosewerte abgenommen werden, die Insulindosis in der totalen parenteralen Ernährungslösung jeweils angepasst und Insulin je nach Bedarf subkutan verabreicht wird. Eine Hypoglykämie entsteht rasch, wenn die ansonsten kontinuierliche Dextroseinfusion plötzlich unterbrochen wird. Die Behandlung hängt vom Grad der Hypoglykämie ab. Eine kurzfristige Hypoglykämie kann mit 50%iger Dextrose IV rückgängig gemacht werden; eine länger andauernde Hypoglykämie erfordert die Infusion von 5%iger oder 10%iger Dextrose für 24 h vor Wiederaufnahme der totalen parenteralen Ernährung über einen zentralen Venenkatheter.

Zu den Leberkomplikationen zählen eine gestörte Leberfunktion, eine schmerzhafte Vergrößerung der Leber (Hepatomegalie) und eine Hyperammonämie. Diese Komplikationen können sich in jedem Lebensalter zeigen, sind jedoch unter Kleinkindern, v. a. frühgeborenen Säuglingen, am häufigsten, deren Leber nicht ausgereift ist.

  • Eine vorübergehend gestörte Leberfunktion äußert sich in erhöhten Transaminasen, erhöhtem Bilirubin und erhöhter alkalischer Phosphatase; sie tritt typischerweise zu Beginn der totalen parenteralen Ernährung auf. Ein verzögerter oder dauerhafter Anstieg dieser Werte ist auf ein Übermaß an Aminosäuren zurückzuführen. Die Pathogenese ist unbekannt, doch Cholestase und Entzündung tragen dazu bei. Manchmal entwickelt sich eine progressive Fibrose. Eine reduzierte Proteinzufuhr bietet Abhilfe.

  • Eine schmerzhafte Lebervergrößerung ist auf eine Anreicherung von Fett zurückzuführen; die Kohlenhydratzufuhr sollte gedrosselt werden.

  • Bei Säuglingen kann sich eine Hyperammonämie entwickeln, was zu Lethargie, Zucken und generalisierten Anfällen führt. Durch eine Argininzufuhr von 0,5–1,0 mmol/kg/Tag lässt sich das korrigieren.

Wenn bei Säuglingen Leberkomplikationen auftreten, sollten Aminosäuren in einer Dosis von höchstens 1,0 g/kg/Tag zugeführt werden.

Anomalien der Serumelektrolyte und -mineralstoffe sollten entweder durch eine Anpassung der nachfolgenden Infusionstherapie korrigiert werden oder, wenn ein Ausgleich dringend erforderlich ist, mit geeigneten peripheren venösen Infusionen beseitigt werden. Vitamin- und Mineralstoffmängel treten selten auf, wenn das Infusionsschema eingehalten wird. Erhöhte Harnstoffstickstoffwerte spiegeln eine Dehydration wider, die sich mit der peripheren Gabe freier Flüssigkeit als 5%ige Dextroselösung korrigieren lässt.

Eine Flüssigkeitsüberladung (wovon bei einer Gewichtszunahme von > 1 kg/Tag auszugehen ist) ergibt sich, wenn Patienten einen hohen täglichen Energiebedarf haben und daher reichlich Flüssigkeitszufuhr benötigen.

Störungen des Knochenstoffwechsels oder eine Knochendemineralisierung (Osteoporose oder Osteomalazie) entwickeln sich bei Patienten, die über > 3 Monate eine totale parenterale Ernährung erhalten. Der zugrunde liegende Mechanismus ist nicht bekannt. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium entstehen starke periartikuläre Schmerzen und Rückenschmerzen sowie Schmerzen der unteren Extremitäten.

Abwehrreaktionen gegen Lipidemulsionen wie Dyspnoe, allergische Hautreaktionen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schwitzen oder Schwindel sind nicht üblich, können jedoch auftreten, wenn Lipide in Raten von > 1,0 kcal/kg/h infundiert werden. Vorübergehend kommt es, v. a. bei Patienten mit Nieren- oder Leberversagen, zu einer Hyperlipidämie; Gegenmaßnahmen sind in der Regel nicht erforderlich. Als verzögerte Abwehrreaktionen gegen Lipidemulsionen gelten Hepatomegalie, ein leichter Anstieg der Leberenzyme, Splenomegalie, Thrombozytopenie, Leukopenie und eine anomale Lungenfunktion, die besonders bei frühgeborenen Säuglingen mit akutem respiratorischem Syndrom auftritt. Eine kurzzeitig oder dauerhaft verlangsamte oder gestoppte Lipidemulsion verhindert oder minimiert diese Abwehrreaktionen.

Als Komplikationen der Gallenblase gelten in diesem Zusammenhang Cholelithiasis, Gallengries und eine Cholezystitis. Diese Komplikationen werden durch eine längerfristige Cholestase verursacht oder verschlimmert. Es ist vorteilhaft, die Kontraktion der Gallenblase über die Verabreichung von 20–30% der Kalorien als Fett und ein Unterbrechen der Glukoseinfusion über mehrere Stunden täglich zu stimulieren. Der Besserung dieses Zustands dient auch die orale und enterale Nahrungszufuhr. Manche Patienten mit Cholestase profitieren von einer Therapie mit Metronidazol, Ursodeoxycholsäure, Phenobarbital oder Cholezystokinin.

Wichtige Punkte

  • Eine parenterale Ernährung ist bei Patienten indiziert, die über einen nicht funktionierenden Gastrointestinaltrakt verfügen oder an Störungen leiden, die eine vollständige Schonung des Darms erforderlich machen.

  • Berechnen Sie den Bedarf an Wasser (30 bis 40 ml/kg/Tag), Energie (30 bis 35 kcal/kg/Tag, je nach Energieaufwand; bis zu 45 kcal/kg/Tag für schwerkranke Patienten), Aminosäuren (1,0 bis 2,0 g/kg/Tag, je nach Grad des Abbaus), essenzielle Fettsäuren, Vitamine und Mineralien.

  • In Abhängigkeit vom Alter des Patienten und vom Status der Organfunktionen ist eine bestimmte Lösung auszuwählen; für Neugeborene und für Patienten, deren Herz-, Nieren- oder Lungenfunktion beeinträchtigt ist, stehen verschiedene Lösungen zur Verfügung.

  • Bei und nach der Installation des zentralen Venenkatheters müssen strenge sterile Techniken Anwendung finden.

  • Überwachen Sie die Patienten genau auf Komplikationen (z. B. im Zusammenhang mit dem zentralvenösen Zugang, abnormalen Glukose-, Elektrolyt-, Mineralwerten, hepatischen oder Gallenblaseneffekten, Reaktionen auf Lipidemulsionen und Volumenüberladung oder -dehydratisierung).