Morbus Hirschsprung

(Angeborenes Megacolon)

VonJaime Belkind-Gerson, MD, MSc, University of Colorado
Überprüft/überarbeitet Aug. 2023
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Beim Morbus Hirschsprung handelt es sich um eine angeborene Anomalie, bei der es zu einer Störung der neuronalen Besiedlung (und damit zu einer Störung der Innervation) des unteren Darms kommt, die in der Regel auf den Dickdarm beschränkt ist und zu einer teilweisen oder vollständigen funktionellen Obstruktion führt. Die Symptome sind Obstipation und Blähungen. Die Diagnose kann durch einen Bariumeinlauf gestellt werden; die endgültige Diagnose erfordert eine Rektumbiopsie (Saugbiopsie oder chirurgische Biopsie). Die Analmanometrie kann bei der Beurteilung helfen und zeigt eine fehlende Entspannung des inneren Analsphinkters bei rektaler Ballondistention. Die Behandlung erfolgt chirurgisch.

(Siehe auch Angeborene Anomalien des Gastrointestinaltrakts im Überblick.)

Morbus Hirschsprung wird durch das angeborene Fehlen des autonomen Meissner- und Auerbach-Plexus in der Darmwand (Aganglionse) verursacht. Die geschätzte Inzidenz liegt bei 1 von 5000 Lebendgeburten (1). Die Krankheit ist normalerweise (bei 75% der Fälle) auf das distale Kolon beschränkt, kann aber das gesamte Kolon (3-10% der Fälle) oder sogar den gesamten Dickdarm und Dünndarm involvieren. Der denervierte Bereich ist immer angrenzend (2). Männer sind häufiger betroffen – das Verhältnis von männlich zu weiblich beträgt 4:1, es sei denn der gesamte Dickdarm ist beteiligt. In diesem Fall gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern.

Es wird angenommen, dass die Ätiologie der Aganglionose in einer fehlenden Migration der neuralen Vorläuferzellen aus der Neuralleiste liegt. Es gibt eine signifikante genetische Komponente dieser Erkrankung und mindestens 12 verschiedene genetische Mutationen sind mit Morbus Hirschsprung verbunden. Die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten unter den Familienmitgliedern steigt mit zunehmender Länge des betroffenen Darms: 3–8% für eine Krankheit des distalen Kolons und bis zu 20% für eine Krankheit, die den gesamten Dickdarm betrifft. Zwanzig bis 25% der Patienten mit Morbus Hirschsprung haben eine andere angeborene Anomalie, und 15% haben eine genetische Anomalie (Down-Syndrom ist die häufigste). Etwa 20% der Patienten mit angeborenem zentralen Hypoventilationssyndrom haben auch Morbus Hirschsprung; die Kombination wird als Haddad-Syndrom bezeichnet. Andere Erkrankungen, die mit der Hirschsprung-Krankheit in Verbindung gebracht werden, sind das Waardenburg-Syndrom, das Bardet-Biedl-Syndrom, das Goldberg-Shprintzen-Syndrom und die Knorpel-Haar-Hypoplasie.

Tipps und Risiken

  • Etwa 20 bis 25% der Patienten mit Morbus Hirschsprung haben eine weitere angeborene Anomalie

Es gibt keine oder nur eine anormale Peristaltik in dem betroffenen Segment, was zu dauernden Spasmen der glatten Muskulatur führt und dadurch eine teilweise oder komplette Obstruktion mit Akkumulation von Darminhalt und einer extremen Dilatation des proximalen, normal innervierten Darmes verursacht. Sogenannte „Skip lesions“ kommen niemals vor.

Allgemeine Literatur

  1. 1. Mueller JL, Goldstein AM: The science of Hirschsprung disease: What we know and where we are headed. Semin Pediatr Surg 31(2):151157, 2022. doi:10.1016/j.sempedsurg.2022.151157

  2. 2. Urla C, Lieber J, Obermayr F, et al: Surgical treatment of children with total colonic aganglionosis: functional and metabolic long-term outcome. BMC Surg 18(1):58, 2018. Veröffentlicht 2018 Aug 15. doi:10.1186/s12893-018-0383-6

Symptome und Anzeichen von Morbus Hirschsprung

Die meisten Patienten kommen sehr früh in die Behandlung, einige in der Kindheit und einige sogar erst im Erwachsenenalter.

Normalerweise scheiden fast alle Neugeborenen in den ersten 24 Stunden ihres Lebens Mekonium aus. Ungefähr 50 bis 90% der Neugeborenen mit Morbus Hirschsprung haben keinen Mekoniumabgang innerhalb der ersten 48 Lebensstunden. Der Säugling zeigt Verstopfung, ein geblähtes Abdomen und letztlich Erbrechen. Gelegentlich haben Säuglinge mit einem sehr kurzen, aganglionären Darmstück nur leichte oder intermittierende Verstopfung mit dazwischenliegenden Episoden von leichtem Durchfall, sodass sich die Diagnose verzögert.

Bei älteren Säuglingen und Kindern können sich anorektische Symptome zeigen, Konstipation, sie haben keinen physiologischen Stuhldrang und bei der rektalen Untersuchung ist die Rektumampulle leer bei einem weiter oben im Kolon tastbaren Stuhl, der sich bei dem Zurückziehen des untersuchenden Fingers explosionsartig entleert (sogenanntes "blast sign"). Kleinkinder können auch eine Gedeihstörung haben. Weniger häufig haben Kleinkinder Hirschsprungsche Enterokolitis.

Diagnose von Morbus Hirschsprung

  • Bariumeinlauf

  • Rektale Absaugung oder chirurgische Biopsie

  • Rektale Manometrie

Die Diagnose von Morbus Hirschsprung sollte so früh wie möglich gestellt werden. Je länger die Krankheit unbehandelt bleibt, desto größer ist das Risiko, eine Hirschsprung Enterokolitis zu entwickeln, eine Komplikation, die fulminant und tödlich sein kann. Die meisten Fälle können in der frühen Kindheit diagnostiziert werden.

Initial werden ein Bariumeinlauf und/oder eine rektale Biopsie veranlasst. (Ein Bariumeinlauf sollte bei Patienten mit Verdacht auf Hirschsprung-Enterokolitis wegen der Gefahr einer Perforation nicht durchgeführt werden.) Der Bariumeinlauf kann einen Übergang zwischen dem dilatierten, normal innervierten Kolon proximal des distalen, engen Segments zeigen, dem die normale Innervation fehlt. Ein Bariumeinlauf sollte ohne vorherige Vorbereitung durchgeführt werden, da dies zu einer Dilatation des abnormen Segments und einer Dekompression des proximalen Kolons führen kann, wodurch der Test nicht diagnostisch ist. Da die charakteristischen Merkmale in der Neugeborenenperiode nicht vorhanden sind, sollte man 24 Stunden später eine neue Röntgenaufnahme erstellen. Ist das Kolon zu diesem Zeitpunkt noch immer mit Barium gefüllt, ist die Diagnose eines Morbus Hirschsprung wahrscheinlich.

Die rektale Biopsie zeigt das Fehlen der Ganglionzellen. Eine Acetylcholinesterase-Färbung kann durchgeführt werden, um die vergrößerten Nervenstämme hervorzuheben; eine Calretinin-Färbung kann durchgeführt werden, um das Fehlen der Schleimhautinnervation zu erkennen (1).

In einigen Zentren kann auch eine rektale Manometrie durchgeführt werden, die typischerweise eine fehlende Entspannung des inneren Analsphinkters bei Balloninsufflation des Rektums zeigt, was charakteristisch für die abnorme Innervation ist.

Die endgültige Diagnose erfordert eine chirurgische oder Saugbiopsie des Rektums und anschließend chirurgische Biopsien, um das Ausmaß der Erkrankung zu erfassen und so die chirurgische Behandlung zu planen.

Genetische Tests sind keine Routineuntersuchung, können aber durchgeführt werden, wenn die Untersuchung Anzeichen eines genetischen Syndroms zeigt oder in Fällen des Jirásek-Zuelzer-Wilson-Syndroms (Agangliose des gesamten Kolons).

Morbus Hirschsprung
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Dieser Bariumeinlauf zeigt eine Aganglionose bis zur Flexur der Milz. Der aganglionäre Darm ist verengt und spastisch (rechts), während der normalerweise innervierte proximale Darm (oben) erweitert und mit Fäkalien gefüllt ist.
Mit Genehmigung des Herausgebers. From Wald A: Gastroenterology and Hepatology: Colon, Rectum, and Anus. Edited by M Feldman (series editor) and CR Boland. Philadelphia, Current Medicine, 1996.

Tipps und Risiken

  • Ein Bariumeinlauf bei Morbus Hirschsprung sollte, wenn möglich, in einem nicht präparierten Kolon (ohne vorherige Einläufe oder andere rektale Dekompression) durchgeführt werden.

Diagnosehinweis

  1. 1. Guinard-Samuel V, Bonnard A, De Lagausie P, et al: Calretinin immunohistochemistry: a simple and efficient tool to diagnose Hirschsprung disease. Mod Pathol 22(10):1379-1384, 2009. doi:10.1038/modpathol.2009.110

Behandlung von Morbus Hirschsprung

  • Chirurgische Intervention

Die Behandlung von Morbus Hirschsprung besteht in der chirurgischen Reparatur, indem der normal angeregte Teil des Darms unter Erhaltung der analen Schließmuskeln zum Anus gebracht wird. Beim Neugeborenen war dies in der Regel ein 2-stufiger Eingriff, der mit einer Kolostomie proximal des aganglionären Segments begann, um den Dickdarm zu dekomprimieren. Dann lässt man das Neugeborene vor der 2. Phase des Verfahrens wachsen, in der der gesamte aganglionäre Teil des Dickdarms reseziert und eine "Pull-through-Operation" durchgeführt wird. Viele Zentren führen heute jedoch bei Morbus Hirschsprung (short-segment disease) ein 1-stufiges Verfahren in der Neugeborenenperiode durch. Die Ergebnisse, die durch die laparoskopische Technik erreicht werden, ähneln denen der offenen Operation und verkürzen die Krankenhausaufenthalte, ermöglichen eine frühzeitigere erste Fütterung und verursachen weniger Schmerzen.

Nach der endgültigen Operation ist die Prognose gut, obwohl ein Teil der Kinder eine chronische Dysmotilität mit Verstopfung und/oder Obstruktion entwickelt.

Wichtige Punkte

  • Die angeborene Denervierung beeinflusst den distalen Kolon und weniger häufig größere Bereiche des Kolons und manchmal sogar des Dünndarms.

  • Kleinkinder kommen in der Regel mit den Befunden eines distalen Darmverschlusses in die Behandlung, wie z. B. Obstipation, abdominale Raumforderung und Erbrechen.

  • Bariumeinlauf-Befunde (ohne vorherige Vorbereitung) und rektale Manometrie sind sehr vielsagend; die Diagnose wird durch rektale Biopsie bestätigt.

  • Das betroffene Segment wird chirurgisch reseziert.

Hirschsprung-Enterokolitis (Toxisches Megakolon)

Die Ätiologie des toxischen Megakolons scheint ihre Ursache in einer proximal ausgeprägten Dilation infolge einer Obstruktion mit Ausdünnung der Darmwand, dem überschießenden Wachstum von Bakterien und der Verlagerung von Darmbakterien zu haben. Sepsis oder Schock können vorkommen (öfter, wenn die ganze Kolonie durch Hirschsprung betroffen ist), und der Tod kann schnell folgen; die Sterblichkeit liegt bei etwa 1%. Deswegen ist es wichtig, Kinder mit Morbus Hirschsprung genau zu beobachten.

Das toxische Megakolon tritt meistens in den ersten Monaten vor der chirurgischen Korrektur auf, kann sich aber auch postoperativ ereignen, typischerweise in dem ersten Jahr nach der Operation. Säuglinge mit Down-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko, diese Komplikation postoperativ zu entwickeln. Die Kinder haben Fieber, einen Blähbauch, Durchfall (manchmal blutig) und auch Verstopfung.

Ein Bariumeinlauf sollte bei Patienten mit Verdacht auf Hirschsprung-Enterokolitis wegen der Gefahr einer Perforation nicht durchgeführt werden.

Die Erstbehandlung der Hirschsprung-Enterokolitis erfolgt unterstützend mit Volumenersatz, Dekompression mit einer nasogastralen und rektalen Sonde und Breitspektrum-Antibiotika, die auch Anaerobier abdecken (z. B. eine Kombination aus Ampicillin, Gentamicin und Metronidazol, Meropenem allein oder Piperacillin/Tazobactam). Einige Experten befürworten Kochsalzeinläufe bei Säuglingen, die nicht kritisch krank sind, um den Dickdarm zu reinigen, aber dies muss sorgfältig durchgeführt werden, um den Druck im Dickdarm nicht zu erhöhen und eine Perforation zu verursachen.c

Eine Operation ist die endgültige Behandlung für Säuglinge, die noch nicht operiert werden konnten, sowie für solche mit Perforation oder nekrotischem Darm. Bei Säuglingen, die stabilisiert werden können, kann die endgültige chirurgische Therapie anstelle des bisherigen Standardverfahrens einer ableitenden Ileostomie oder Kolostomie durchgeführt werden. Der bisherige Standardansatz sollte bei Patienten mit schwerer Erkrankung durchgeführt werden.