Die renovaskuläre Hypertonie ist eine Blutdruckerhöhung aufgrund eines teilweisen oder vollständigen Verschlusses einer oder mehrere Nierenarterien oder ihrer Äste. Sie ist üblicherweise asymptomatisch, wenn sie nicht sehr lange besteht. Ein Strömungsgeräusch kann bei < 50% der Patienten über einer oder beiden Nierenarterien auskultiert werden. Die Diagnose wird durch die körperliche Untersuchung und Nierenbildgebung mit Duplex-Sonographie, CT-Angiographie oder Magnetresonanzangiographie gestellt. Die Behandlung erfolgt mit Medikamenten und manchmal Revaskularisierung durch perkutane Angioplastie oder Operation.
(Siehe auch Bluthochdruck.)
Renovaskuläre Erkrankungen sind eine der häufigsten Ursachen für reversiblen Hypertonie, machen aber nur < 1% aller Fälle von Hypertonie aus (1). Eine Stenose oder der Verschluss einer Hauptnierenarterie, einer akzessorischen Nierenarterie oder irgendeiner ihrer Äste kann eine Hypertonie durch die stimulierte Freisetzung von Renin aus den juxtaglomerulären Zellen der betroffenen Niere verursachen. Der Bereich des arteriellen Lumens muss um ≥70% verringert und ein deutlicher poststenotischer Anstieg muss ebenfalls gegeben sein, bevor Stenose wahrscheinlich zu einem Blutdruckanstieg beiträgt.
Insgesamt sind ungefähr 80% der Fälle durch renale Arteriosklerose und 20% durch fibromuskuläre Dysplasie verursacht. Die Arteriosklerose ist bei Männern > 50 Jahre häufiger und betrifft hauptsächlich das proximale Drittel der Nierenarterie. Die fibromuskuläre Dysplasie ist bei jüngeren Patienten häufiger (normalerweise bei Frauen) und betrifft üblicherweise die distalen zwei Drittel der A. renalis oder ihrer Seitenäste. Seltenere Ursachen umfassen Emboli, Trauma, unbeabsichtige Ligatur während eines chirurgischen Eingriffs und externe Kompression des Nierenstils durch Tumoren.
Die renale Hypertonie ist durch ein hohes HZV und einen hohen TPR charakterisiert.
Allgemeine Literatur
1. Dworkin LD, Cooper CJ. Clinical practice. Renal-artery stenosis. N Engl J Med 361(20):1972-1978, 2009. doi:10.1056/NEJMcp0809200
Symptome und Zeichen der renovaskulären Hypertonie
Die renale Hypertonie ist üblicherweise asymptomatisch. Ein systolisch-diastolisches Geräusch im Epigastrium, normalerweise weitergeleitet in einen oder beide obere Quadranten und manchmal in den Rücken, ist nahezu pathognomonisch, aber ist nur bei etwa 50% der Patienten mit fibromuskulärer Dysplasie vorhanden und ist selten bei Patienten mit einer renalen Arteriosklerose.
Renovaskuläre Hypertonie sollte vermutet werden, wenn
Diastolische Hypertonie entwickelt sich abrupt bei einem Patienten < 30 oder > 50 Jahren
Neue oder zuvor stabile Hypertonie verschlechtert sich rapide innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten
Hypertonie ist anfänglich schwer (z. B. systolischer Blutdruck > 180 mmHg)
Eine unerklärliche Verschlechterung der Nierenfunktion
Hypertonie ist resistent gegen medikamentöse Behandlung
Eine Anamnese mit Rücken- oder Flankentrauma oder akutem Schmerz in dieser Region mit oder ohne Hämaturie spricht für eine renovaskuläre Hypertonie (möglicherweise aufgrund einer arteriellen Verletzung), aber diese Befunde sind selten.
Eine Asymmetrie der Nierengrößen (> 1 cm Differenz), zufällig durch bildgebende Verfahren entdeckt, und wiederholte Episoden eines unerklärten akuten Lungenödems oder einer Herzinsuffizienz legen ebenfalls für eine renovaskuläre Hypertonie nahe.
Diagnose der renovaskulären Hypertonie
Erstmalige Identifizierung mittels Ultraschall, Magnetresonanzangiographie oder CT-Angiographie
Bestätigung mit Nieren-Angiographie (kann auch therapeutisch sein)
Wenn eine renovaskuläre Hypertonie vermutet wird, sind Sonographie, Magnetresonanzangiographie oder CT-Angiographie sinnvolle nicht-invasive initiale Tests. Nichtinvasive Tests sind aufgrund der Lage der stenotischen Läsion (die typischerweise den intrarenalen Teil der Nierenarterie betrifft) weniger zuverlässig für den Nachweis einer fibromuskulären Dysplasie.
Die Nierenangiographie ist der definitive Test, der durchgeführt werden kann, wenn die nichtinvasive Untersuchung nicht schlüssig ist und der klinische Verdacht hoch ist.
Die Duplex-Doppler-Sonographie kann den renalen Blutfluss bestimmen und ist eine verlässliche nichtinvasive Methode für die Bestimmung einer signifikanten Stenose (z. B. > 60%) in den Hauptnierenarterien. Sensitivität und Spezifität liegen bei 85 bis 90%, wenn erfahrene Techniker den Test durchführen (1). Die Technik ist weniger genau bei Patienten mit Seitenaststenose.
Die Magnetresonanzangiographie ist ein genauerer und spezifischer nichtinvasiver Test zur Bewertung der Nierenarterien (2). Bedenken hinsichtlich gadoliniumbedingter Komplikationen, einschließlich nephrogener systemischer Fibrose, schränken jedoch die Verwendung dieser Methode ein, insbesondere bei Patienten mit Niereninsuffizienz.
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Die CT-Angiographie ist ein weiterer nichtinvasiver Test mit einer Sensitivität und Spezifität im Bereich von 95% (3). Seine Verwendung ist auch durch die Exposition gegenüber Röntgenkontrastmitteln bei Patienten mit Niereninsuffizienz begrenzt.
Eine Nierenangiographie wird durchgeführt, wenn nichtinvasive bildgebende Verfahren auf eine Läsion hinweisen, die für eine Angioplastie oder einen Stent geeignet ist, oder wenn die Ergebnisse anderer Screening-Tests nicht schlüssig sind. Die digitale Subtraktionsangiographie mit selektiver Injektion der Nierenarterien kann die Diagnose ebenfalls bestätigen, die Angioplastie oder Stent-Versorgung kann dann aber nicht in der gleichen Sitzung durchgeführt werden.
Die Radionuklid-Bildgebung wird nur selten zu diagnostischen Zwecken eingesetzt und dient gelegentlich als Funktionstest zum Vergleich von Blutfluss und Filtration zwischen den beiden Nieren. Die Bildgebung wird vor und nach einer oralen Dosis von Captopril durchgeführt. Der Angiotensin-konvertierendes Enzym-Hemmer bewirkt eine Verengung der betroffenen Arterie, dies führt zu einer verminderten Perfusion im Szintigramm. Die Verengung verursacht einen Anstieg des Serumrenins, das vor und nach Captoprilgabe gemessen wird. Dieser Test kann bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion weniger zuverlässig sein.
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Messungen der Reninaktivität in den Nierenvenen sind manchmal irreführend und nicht nötig, es sei denn eine chirurgische Versorgung wird in Erwägung gezogen. Bei einseitiger Erkrankung kann jedoch eine Reninaktivität > 1,5 in der Nierenvene (betroffene vs. nichtbetroffene Seite) üblicherweise ein gutes Ergebnis nach Revaskularisierung voraussagen. Die Untersuchung wird unter Natriumentzug durchgeführt, um die Freisetzung von Renin zu stimulieren.
Literatur zur Diagnose
1. Williams GJ, Macaskill P, Chan SF, et al. Comparative accuracy of renal duplex sonographic parameters in the diagnosis of renal artery stenosis: paired and unpaired analysis. AJR Am J Roentgenol 2007;188(3):798-811. doi:10.2214/AJR.06.0355
2. Postma CT, Joosten FB, Rosenbusch G, Thien T. Magnetic resonance angiography has a high reliability in the detection of renal artery stenosis. Am J Hypertens 1997;10(9 Pt 1):957-963. doi:10.1016/s0895-7061(97)00157-x
3. Olbricht CJ, Paul K, Prokop M, et al. Minimally invasive diagnosis of renal artery stenosis by spiral computed tomography angiography. Kidney Int 1995;48(4):1332-1337. doi:10.1038/ki.1995.418
Behandlung der renovaskulären Hypertonie
Aggressive medizinische Behandlung von Hypertonie, Atherosklerose und zusammenhängenden Erkrankungen
Bei fibromuskulärer Dysplasie manchmal Angioplastie mit oder ohne Stent-Implantation
Selten Bypass-Transplantation
Ohne eine Behandlung ist die Prognose ähnlich wie bei Patienten mit unbehandelter primärer Hypertonie.
Alle Patienten sollten eine aggressive medizinische Behandlung ihrer Hypertonie erhalten.
Atheroskletorische Nierenarterienstenose
Für Patienten mit atherosklerotischer Nierenarterienstenose wurde bisher eine Angioplastie mit Stent-Implantation für viele Patienten als hilfreich angesehen. Allerdings zeigten die Ergebnisse eines groß angelegten, randomisierten Versuches („cardiovascular outcomes in renal atherosclerotic lesions“ [CORAL] Studie), dass die Stent-Platzierung im Vergleich zur alleinigen medizinischen Behandlung keine Verbesserung der Ergebnisse zeigte (1). Obwohl die Stent-Implantation zu einer kleinen (-2 mmHg), statistisch signifikanten Abnahme des systolischen Blutdrucks führte, lag kein signifikanter klinischer Vorteil hinsichtlich der Vorbeugung von Schlaganfall, Myokardinfarkt, Herzversagen, Tod aufgrund kardiovaskulärer oder renaler Krankheit oder Progression der Nierenkrankheit (einschließlich der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie) vor. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass alle Patienten in der "CORAL"-Studie einer aggressiven medizischen Behandlung ihrer Hypertonie und jeglicher Diabetes unterzogen wurden, zusätzlich zu Thrombozytenaggregationshemmern und einem Statin zur Behandlung der Atherosklerose.
Daher muss die Entscheidung, eine Angioplastie zu vermeiden, gemeinsam mit einer strikten Einhaltung der aktuellen medizinischen Behandlungsrichtlinien erfolgen. Wenn das Serumkreatinin unter optimaler medikamentöser Behandlung des Blutdrucks um mehr als 50% ansteigt, kann ein Stenting der Nierenarterie zum Erhalt der Nierenfunktion beitragen (2). Bei Patienten, die sich nicht strikt an die medizinischen Behandlungsrichtlinien halten können und bei denen eine Nierenarterienstenose von > 70% vorliegt, kann eine Stentimplantation dennoch in Betracht gezogen werden.
Fibromuskuläre Dysplasie
Für die meisten Patienten mit fibromuskulärer Dysplasie der Nierenarterie wird eine perkutane transluminale Angioplastie (PTA) empfohlen. Die Stent-Versorgung verringert das Risiko einer Restenose; antithrombozytäre Medikamente (z. B. Aspirin, Clopidogrel) werden im Anschluss gegeben. Ein Bypass mit der V. saphena wird nur empfohlen, wenn eine erhebliche Ausdehnung der Erkrankung auch in die Seitenäste der Nierenarterie die Durchführung einer PTA technisch unmöglich macht. Manchmal erfordert eine vollständige chirurgische Revaskularisierung mikrovaskuläre Techniken, die nur ex vivo mit einer Autotransplantation der Niere durchgeführt werden können. Die Heilungsrate ist 90% bei hierfür geeigneten Patienten; die chirurgische Mortalität liegt bei < 1% (3).
Die medikamentöse Behandlung ist einer Nephrektomie bei jungen Patienten, deren Nieren aus technischen Gründen nicht revaskularisiert werden können, immer vorzuziehen.
Literatur zur Therapie
1. Cooper CJ, Murphy TP, Cutlip DE, et al: Stenting and medical therapy for atherosclerotic renal-artery stenosis. N Engl J Med 370:13–22, 2014. doi: 10.1056/NEJMoa1310753
2. Bhalla V, Textor SC, Beckman JA, et al. Revascularization for Renovascular Disease: A Scientific Statement From the American Heart Association. Hypertension 2022;79(8):e128-e143. doi:10.1161/HYP.0000000000000217
3. Modrall JG, Rosero EB, Smith ST, et al. Operative mortality for renal artery bypass in the United States: Results from the National Inpatient Sample. J Vasc Surg 48(2):317-322, 2008. doi:10.1016/j.jvs.2008.03.014
Wichtige Punkte
Eine Stenose (> 70%) oder ein Verschluss einer Nierenarterie kann eine Hypertonie durch die stimulierte Freisetzung von Renin aus den juxtaglomerulären Zellen der betroffenen Niere verursachen.
Etwa 80% der Fälle werden durch eine Arteriosklerose verursacht und 20% durch eine fibromuskuläre Dysplasie.
Der Verdacht auf eine renovaskuläre Ursache sollte geäußert werden, wenn die diastolische Hypertonie bei einem Patienten < 30 oder > 50 Jahren plötzlich auftritt, wenn sich ein neuer oder zuvor stabiler Bluthochdruck innerhalb von 6 Monaten rapide verschlechtert oder wenn der Bluthochdruck anfänglich schwer ist (systolisch > 180 mmHg), mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion einhergeht oder auf eine medikamentöse Behandlung nicht anspricht.
Führen Sie einen Ultraschall-, Magnetresonanzangiographie oder CT-Angiografie durch, um die Patienten zu identifizieren, die sich einer Nierenangiografie, dem maßgeblichen Test, unterziehen sollten.
Die aggressive medizinische Behandlung von Hypertonie, Atherosklerose und zusammenhängenden Erkrankungen wird in Erwägung gezogen.
Für Patienten mit fibromuskulärer Dysplasie werden eine perkutane transluminale Angioplastie und/oder Stent-Implantation oder selten eine vaskuläre Bypass-Operation in Erwägung gezogen.
Weitere Informationen
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