Quellen zum Thema
(Siehe auch Überblick über das Ansprechen auf Medikamente.)
Therapietreue (auch „Compliance“ genannt) ist bei der Behandlung mit Medikamenten wichtig. Doch nur etwa die Hälfte der Patienten, die eine Arztpraxis mit einem Rezept verlassen, nimmt das Medikament laut Anweisungen ein. Von den vielen Gründen, die für die Nichteinhaltung der medikamentösen Behandlung angegeben werden, wird „Vergesslichkeit“ am häufigsten genannt. Die Schlüsselfrage lautet also: Warum sind die Menschen vergesslich? Manchmal bewirkt ein psychologischer Mechanismus, dass man die Erkrankung nicht wahrhaben möchte. Eine Erkrankung zu haben, ist Anlass zur Beunruhigung, wobei einen die Einnahme eines Medikaments ständig an die Erkrankung erinnert. Oder es ist ein Aspekt der Behandlung, wie zum Beispiel mögliche Nebenwirkungen, der einem Patienten Sorge bereitet und daher den Behandlungsplan nur widerwillig befolgen lässt.
Folgen der Nichteinhaltung der Behandlung
Wenn jemand eine Behandlung nicht befolgt, besteht die offensichtlichste Folge darin, dass die Symptome nicht gelindert werden bzw. die Erkrankung nicht geheilt wird. Doch die Nichteinhaltung kann noch weitere ernste oder teure Folgen haben. Nach Schätzungen führt die Nichteinhaltung von Behandlungen jedes Jahr zu 125.000 Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (wie Herzinfarkt oder Schlaganfall). Außerdem wird angenommen, dass bis zu 23 % der Aufnahmen in Pflegeheime, 10 % der Krankenhausaufnahmen und viele Arztbesuche, diagnostische Tests und unnötige Behandlungen vermieden werden könnten, wenn Medikamente laut Anweisungen eingenommen würden.
Das Nichteinhalten einer Behandlung erhöht nicht nur die Kosten der medizinischen Versorgung, es kann auch die Lebensqualität verschlechtern. Zum Beispiel können nicht eingenommene Dosen bei Patienten mit Glaukom (grüner Star) zu einer Schädigung des Sehnervs und zu Erblindung führen, bei Patienten mit Herzerkrankungen zu unregelmäßigem Herzschlag und Herzstillstand und bei Patienten mit Bluthochdruck zu einem Schlaganfall. Werden nicht alle verordneten Dosen eines Antibiotikums eingenommen, kann dies zum erneuten Aufflammen einer Infektion führen und zur Entwicklung von arzneimittelresistenten Bakterien (Bakterien, die nicht mehr auf die üblichen Antibiotika ansprechen) beitragen.
Kinder und Therapietreue
Bei Kindern ist es weniger wahrscheinlich als bei Erwachsenen, dass sie Medikamente nach Anweisung nehmen. Bei Kindern mit chronischen Krankheiten wie Typ-1-Diabetes oder Asthma ist Therapietreue schwer zu erreichen, weil der Behandlungsplan kompliziert ist und über eine lange Zeit fortgesetzt werden muss. Kinder zur Einnahme von Medikamenten zu bewegen, die nicht gut schmecken, ihnen beängstigend erscheinen (wie Augentropfen oder Mittel, für die eine Gesichtsmaske benötigt wird) oder die Injektionen erfordern, kann ebenfalls schwierig sein.
Manchmal verstehen Eltern die Anweisungen des Arztes nicht. Außerdem vergessen Eltern (und die Patienten selbst) viele der Informationen aus einem Gespräch mit einem Arzt kurze Zeit später wieder. Sie erinnern sich am besten an den Anfang des Gesprächs, sowie stärker an die Diagnose als an die Einzelheiten der Behandlung. Deshalb versuchen Ärzte, den Behandlungsplan einfach zu halten und geben oft schriftliche Anweisungen.
Ältere Erwachsene und Therapietreue
Obwohl sich ein fortgeschrittenes Alter selbst wahrscheinlich nicht auf die Therapietreue auswirkt, wird diese bei älteren Erwachsenen von mehreren, häufig anzutreffenden Faktoren wie dem schlechteren körperlichen und geistigen Allgemeinzustand oder der Anwendung von mehreren Medikamenten und dem erhöhten Risiko für das Auftreten von Arzneimitteln-Wechselwirkungen und Nebenwirkungen beeinflusst. Wenn mehrere Medikamente eingenommen werden, fällt es schwerer, sich den Zeitpunkt für die Einnahme eines jeden Medikaments zu merken. Es erhöht sich das Risiko für das Auftreten von unerwünschten Arzneimittel-Wechselwirkungen, insbesondere, wenn auch rezeptfreie Medikamente eingenommen werden. Ärzte können zur Verbesserung der Therapietreue und zur Reduzierung der Gefahr von Wechselwirkungen das Behandlungsschema mit Medikamenten vereinfachen, indem sie ein Medikament verwenden, das zwei Zwecken dient, oder indem sie die Häufigkeit der Einnahme verringern.
Da ältere Erwachsene generell empfindlicher auf Medikamente reagieren als jüngere Menschen, ist die Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Arzneimittelwirkungen größer. Eine Senkung der Dosis bestimmter Medikamente kann erforderlich sein (siehe Arzneimittel im Alter).
Verbesserung der Therapietreue
Patienten halten eine Behandlung eher ein, wenn sie eine gute Beziehung zu ihrem Arzt und Apotheker haben. Zu solchen Beziehungen gehört eine wechselseitige Kommunikation.
Die Kommunikation kann mit einem Informationsaustausch beginnen. Indem sie Fragen stellen, können Ärzte den Betroffenen dabei helfen, sich mit der Schwere ihrer Erkrankung abzufinden, die Vor- und Nachteile eines Behandlungsplans auf intelligente Weise abzuwägen und ihre Situation richtig zu verstehen. Wenn ihre Bedenken angesprochen werden, wird den Patienten bewusst, dass ein Leugnen ihrer Erkrankung und falsche Vorstellungen von der Behandlung zu Nachlässigkeit bei der ordnungsgemäßen Einnahme der Medikamente und zu unerwünschten Wirkungen führen können. Ärzte und Apotheker können die Therapietreue fördern, indem sie genau erklären, wie die Medikamente einzunehmen sind, warum sie notwendig sind und womit während der Behandlung zu rechnen ist. Wenn Patienten wissen, was sie im Positiven wie auch im Negativen von einem Medikament zu erwarten haben, können sie und die behandelnden medizinischen Fachkräfte besser beurteilen, wie gut ein Medikament wirkt, und ob sich möglicherweise schwere Probleme entwickeln. Schriftliche Anweisungen beugen Fehlern vor, die durch lückenhaftes Erinnern der Gespräche mit dem Arzt und Apotheker bedingt sind.
Gute Kommunikation ist wichtig, insbesondere, wenn Patienten bei mehr als einer medizinischen Fachkraft in Behandlung sind, denn durch sie wird gewährleistet, dass alle Ärzte über die von den Kollegen verschriebenen Medikamente Bescheid wissen. So kann ein gemeinsamer Behandlungsplan entwickelt werden. Ein solcher Plan kann die Anzahl an Nebenwirkungen und Arzneimittel-Wechselwirkungen verringern helfen und eventuell zu einem einfacheren Behandlungsschema führen.
Wenn Menschen an Entscheidungen über ihre Behandlung beteiligt sind, halten sie diese mit einer größeren Wahrscheinlichkeit ein. Durch ihre Einbeziehung übernehmen die Patienten Verantwortung für den Behandlungsplan und halten ihn daher wahrscheinlich besser ein. Verantwortung übernehmen heißt auch, positive und negative Wirkungen der Behandlung zu überwachen helfen und Bedenken bei zumindest einer medizinischen Fachkraft anzusprechen. Auch wenn Ärzte, Apotheker oder andere medizinische Fachkräfte nicht danach fragen, sollten Patienten unerwünschte oder unerwartete Wirkungen lieber melden, als selbstständig die Dosis zu verändern oder ein Medikament abzusetzen. Wenn jemand gute Gründe für die Nichteinhaltung eines Behandlungsplans hat und diese erläutert, kann der Arzt oder eine andere medizinische Fachkraft eine entsprechende Anpassung vornehmen. Es empfiehlt sich, dass Patienten eine aktualisierte Liste all ihrer Medikamente führen und diese zu den Arztterminen mitbringen.
Wenn Patienten das Gefühl haben, dass dem Arzt ihr Wohlergehen wichtig ist, halten sie zudem das Behandlungsschema mit einer größeren Wahrscheinlichkeit ein. Wenn sie von einem engagierten Arzt aufgeklärt werden, sind Patienten eher mit ihrer medizinischen Versorgung zufrieden und bringen dem Arzt mehr Sympathie entgegen. Je mehr Menschen die medizinische Fachkraft mögen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie auf sie hören.
Der Bezug aller Medikamente vom gleichen Apotheker kann dies auch unterstützen, denn Apotheker führen Computeraufzeichnungen über die an eine Person abgegebenen Medikamente und können sie so auf Doppelungen und Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln hin überwachen. Wer verschreibungspflichtige Medikamente nimmt, sollte den Apotheker über eingenommene rezeptfreie Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel (wie etwa Heilkräuter) informieren. Man kann den Apotheker auch nach den zu erwartenden Wirkungen eines Medikaments, seiner richtigen Anwendung und Arzneimittel-Wechselwirkungen fragen.
Oft gibt es Selbsthilfegruppen für Menschen mit bestimmten Erkrankungen. Diese Gruppen können häufig die Wichtigkeit der Einhaltung eines Behandlungsplans bestätigen und Empfehlungen für den Umgang mit Problemen geben. Namen und Telefonnummern von Selbsthilfegruppen können von örtlichen Kliniken und Interessengruppierungen bezogen werden.
Gedächtnisstützen können dabei helfen, an die Einnahme von Medikamenten zu denken. Zum Beispiel kann man Merkzettel an verschiedenen Stellen zu Hause anbringen oder die Einnahme des Medikaments mit einer bestimmten Tagesroutine wie dem Zähneputzen verknüpfen. Eine Armbanduhr mit Weckfunktion kann ebenfalls zur Erinnerung an die Einnahme eines Medikaments verwendet werden. Eine medizinische Fachkraft oder der Patient selbst kann die Medikamentendosis und die Einnahmezeit in einem Kalender vermerken. Wenn das Medikament genommen wurde, hakt der Patient den entsprechenden Eintrag ab.
Apotheker können auch Behälter anbieten, die zur richtigen Einnahme von Medikamenten beitragen können. So kann die tägliche Dosis für einen Monat in einer mit den jeweiligen Kalendertagen versehenen Blisterpackung verpackt werden, damit man die Einnahme der einzelnen Dosen anhand der leeren Blister überprüfen kann. Deckel oder Aufkleber in der gleichen Farbe wie die Tablette oder Kapsel können für die einzelnen Behälter benützt werden, damit man das Medikament den Anweisungen auf dem Behälter zuordnen kann. Auch Medikamentenschachteln mit mehreren Fächern für die einzelnen Wochentage und/oder verschiedenen Tageszeiten sind eine Möglichkeit (siehe Arzneimittelfehler). Patient oder Pflegekraft füllen die Fächer regelmäßig, zum Beispiel am Anfang der Woche. Anhand der Schachtel kann dann geprüft werden, ob die Pillen eingenommen wurden.
Auch Behälter mit elektronischem Deckel sind erhältlich. Diese Deckel zeigen die Dosiseinnahmezeit durch einen Signalton oder durch Blinken an und können aufzeichnen, wie oft ein Behälter am Tag geöffnet wird und wie viele Stunden seit dem letzten Öffnen des Behälters vergangen sind. Eine weitere Möglichkeit ist ein Benachrichtigungsdienst über einen Pager (erhältlich als Abonnement bei entsprechenden Telekommunikationsunternehmen).