Erworbene Immunität

VonPeter J. Delves, PhD, University College London, London, UK
Überprüft/überarbeitet Feb. 2024
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Eine der körpereigenen Verteidigungslinien (das Immunsystem) umfasst weiße Blutkörperchen (Leukozyten), die im Blutstrom zirkulieren und in Körpergewebe eindringen, um dort nach Mikroorganismen und anderen Eindringlingen zu suchen und diese anzugreifen. (Siehe auch Übersicht über das Immunsystem.)

Diese Immunabwehr besteht aus 2 Bereichen:

Die erworbene (adaptive oder spezifische) Immunität ist bei Geburt noch nicht vorhanden. Sie wird erlernt. Der Lernprozess beginnt, wenn das Immunsystem einer Person auf fremde Eindringlinge trifft und körperfremde Substanzen (Antigene) erkennt. Danach lernen die Komponenten der erworbenen Immunität, wie man jedes Antigen am besten angreift, und beginnen, ein Gedächtnis für jedes der Antigene zu entwickeln. Die erworbene Immunität wird auch als „spezifische Immunität“ bezeichnet, weil sie ein bestimmtes, bereits zuvor getroffenes Antigen gezielt angreift. Ihre wichtigsten Merkmale sind ihre Fähigkeit, zu lernen sowie sich anzupassen und zu erinnern.

Die erworbene Immunität benötigt nach dem Erstkontakt mit einem neuen Antigen Zeit, um sich zu entwickeln. Dadurch bildet sich ein immunologisches Gedächtnis aus, und spätere Reaktionen auf dieses Antigen verlaufen schneller und effektiver als die Reaktionen nach der erstmaligen Exposition.

Die für die erworbene Immunität zuständige Art von weißen Blutkörperchen sind die

  • Lymphozyten (T- oder B-Zellen).

Andere Beteiligte an der erworbenen Immunität sind

Lymphozyten

Lymphozyten befähigen den Körper, sich an Antigene zu erinnern und zwischen „selbst“ und gefährlichem „nicht selbst“ (einschließlich Viren und Bakterien) zu unterscheiden. Lymphozyten zirkulieren im Blutkreislauf und im lymphatischen System und wandern bei Bedarf in das Körpergewebe ein.

Das Immunsystem kann sich an jedes Antigen, dem es begegnet ist, erinnern, da sich nach dem Kontakt einige Lymphozyten zu Gedächtniszellen weiterentwickeln. Diese Zellen leben sehr lange, manchmal über Jahre oder Jahrzehnte. Begegnen Gedächtniszellen einem Antigen ein zweites Mal, erkennen sie es sofort und reagieren schnell, heftig und spezifisch auf dieses bestimmte Antigen. Diese spezifische Immunreaktion ist der Grund, warum Menschen nur einmal an Windpocken oder Masern erkranken und Impfungen bestimmten Krankheiten vorbeugen können.

Lymphozyten können sein:

  • T-Zellen

  • B-Zellen

Bei der Zerstörung von Eindringlingen arbeiten T- und B-Zellen zusammen.

T-Zellen

T-Zellen entwickeln sich aus den Stammzellen im Knochenmark, die sich zu einem Organ im Brustkorb, der sogenannten Thymusdrüse, begeben haben. Hier lernen sie, körpereigene von körperfremden Antigenen zu unterscheiden, um zu vermeiden, dass sie das körpereigene Gewebe nicht angreifen. In der Regel dürfen nur solche T-Zellen reifen und die Thymusdrüse verlassen, die gelernt haben, die körpereigenen Antigene (Autoantigene) zu ignorieren.

T-Zellen können potenziell eine fast unbegrenzte Anzahl von verschiedenen Antigenen erkennen.

Reife T-Zellen sind in den sekundären Lymphorganen (Lymphknoten, Milz, Gaumenmandeln, Blinddarm (Appendix) und Peyer-Plaques im Dünndarm) zu finden. Diese Zellen zirkulieren im Blutkreislauf und dem Lymphsystem. Bei ihrer ersten Begegnung mit einer infizierten oder abnormen Zelle werden sie aktiviert und suchen nach diesen bestimmten Zellen.

Für ihre Aktivierung benötigen T-Zellen die Hilfe anderer Immunzellen, die Antigene in Fragmente (auch Antigenverarbeitung genannt) zerlegen und Antigene infizierter und abnormer zählen den T-Zellen präsentieren. Die T-Zellen vermehren sich dann und spezialisieren sich auf verschiedene Funktionsarten der T-Zellen. Diese Arten umfassen:

  • Killer- (zytotoxische) T-Zellen heften sich an bestimmte infizierte oder abnorme (zum Beispiel kanzerogene) Zellen an. T-Killerzellen töten diese Zellen, indem sie Löcher in die Zellmembran bohren und Enzyme ins Zellinnere spritzen.

  • Helfer-T-Zellen unterstützen andere Immunzellen. Einige Helfer-T-Zellen unterstützen B-Zellen bei der Produktion von Antikörpern gegen fremde Antigene. Andere wiederum helfen bei der Aktivierung von Killer-T-Zellen, um infizierte oder abnorme Zellen abzutöten oder unterstützen die Aktivierung von Makrophagen, die dann die infizierten oder abnormen Zellen effektiver verschlingen können.

  • (Regulatorische) Suppressor-T-Zellen produzieren Substanzen, die das Beenden der Immunreaktion unterstützen oder manchmal das Auftreten von bestimmten schädigenden Reaktionen vorbeugen.

Wenn T-Zellen anfänglich einem Antigen begegnen, führen die meisten von ihnen die ihnen zugewiesene Aufgabe aus. Einige der T-Zellen entwickeln sich zu Gedächtniszellen, die sich an das Antigen erinnern können und bei einer erneuten Begegnung umso heftiger darauf reagieren.

Manchmal unterscheiden T-Zellen aus bislang noch nicht vollständig verstandenen Gründen nicht „selbst“ von „nicht selbst“. Diese Fehlfunktion kann zu einer Autoimmunerkrankung führen, bei der der Körper sein eigenes Gewebe angreift.

B-Zellen

B-Zellen werden im Knochenmark gebildet. B-Zellen tragen auf ihrer Oberfläche bestimmte Moleküle (Rezeptoren), an die sich Antigene anheften können. B-Zellen können lernen, eine fast unbegrenzte Anzahl von verschiedenen Antigenen zu erkennen.

Der Hauptzweck von B-Zellen ist die Bildung von Antikörpern, die ein Antigen zum Angreifen markieren oder es direkt neutralisieren. B-Zellen präsentieren das Antigen den T-Zellen, die anschließend aktiviert werden.

Die Antwort von B-Zellen auf Antigene erfolgt in zwei Stufen:

  • Primäre Immunreaktion: Bei der ersten Begegnung mit einem Antigen heftet dieses sich an einen Rezeptor an und stimuliert dadurch die B-Zelle. Einige B-Zellen entwickeln sich zu Gedächtniszellen, die sich an das spezifische Antigen erinnern können, und andere zu Plasmazellen. Bei diesem Vorgang werden die B-Zellen von T-Helfer-Zellen unterstützt. Plasmazellen produzieren Antikörper, die spezifisch für das Antigen sind, das deren Produktion stimuliert hat. Nach der ersten Begegnung mit einem Antigen produzieren die Plasmazellen über einige Tage eine ausreichende Menge dieses spezifischen Antikörpers. Die primäre Immunreaktion ist von Natur aus also langsam.

  • Sekundäre Immunreaktion: Nach der primären Immunreaktion können B-Gedächtniszellen, wann immer sie diesem Antigen erneut begegnen, dieses sehr schnell erkennen, sich vermehren und zu Plasmazellen weiterentwickeln und Antikörper produzieren. Diese Reaktion ist schnell und sehr effektiv.

Dendritische Zellen

Dendritische Zellen sitzen in der Haut, den Lymphknoten und in Geweben im gesamten Körper. Die meisten dendritischen Zellen sind Antigen-präsentierende Zellen. Sie verschlingen, bearbeiten und präsentieren Antigene und ermöglichen den T-Helfer-Zellen somit, das Antigen zu erkennen. Dendritische Zellen präsentieren in den Lymphknoten den T-Zellen Antigen-Fragmente.

Eine weitere Art von dendritischen Zellen, die follikulären dendritischen Zellen, kommt in den Lymphknoten vor und stellt den B-Zellen unverarbeitete (intakte), an Antikörper gebundene Antigene (Antikörper-Antigen-Komplex), bereit. Follikuläre dendritische Zellen helfen B-Zellen, auf ein Antigen zu reagieren.

T-Zellen und B-Zellen werden durch die Präsentation von Antigenen aktiviert.

Antikörper

Die Begegnung einer B-Zelle mit einem Antigen stimuliert diese, zu einer Plasma- oder B-Gedächtniszelle zu reifen. Im Anschluss daran setzen Plasmazellen Antikörper (auch Immunglobuline oder kurz Ig genannt) frei. Es gibt 5 Klassen von Antikörpern: IgM, IgG, IgA, IgE und IgD.

Antikörper können den Körper folgendermaßen schützen:

  • Sie helfen Zellen, Antigene zu verschlingen (Zellen, die Antigene verschlingen, werden Phagozyten genannt).

  • Sie inaktivieren von Bakterien produzierte, giftige Substanzen.

  • Sie greifen Bakterien und Viren direkt an.

  • Sie hindern Bakterien und Viren daran, sich an Zellen zu binden und sie anzugreifen.

  • Sie aktivieren das Komplementsystem, das viele Immunfunktionen hat.

  • Sie helfen bestimmten Zellen wie natürlichen Killerzellen, infizierte oder Krebszellen abzutöten.

Antikörper spielen bei der Abwehr bestimmter Arten von bakteriellen und fungiziden (pilzbedingten) Infektionen eine entscheidende Rolle. Sie können auch bei der Bekämpfung von Viren helfen.

Antikörper heften sich an Antigene, gegen das sie gebildet wurden, an und bilden einen Immunkomplex (Antikörper-Antigen-Komplex). Der Antikörper und das Antigen passen wie zwei Puzzleteile genau zueinander. Manchmal kann sich ein Antikörper auch an andere Antigene anheften, wenn diese dem Antigen, gegen das der Antikörper gebildet wurde, sehr ähnlich sind.

Die charakteristische Y-Struktur der Antikörper

Ein Antikörpermolekül hat prinzipiell die Form eines Y. Das Molekül besteht aus 2 Teilen:

  • Variabler Teil: Dieser Teil ist von Antikörper zu Antikörper unterschiedlich; seine Form wird von dem Antigen bestimmt, gegen das der Antikörper gerichtet ist. Das Antigen heftet sich an diesen variablen Teil des Antikörpers an.

  • Konstanter Teil: Dieser Teil kann aus einer von 5 Strukturen bestehen, die für die jeweilige Antikörperklasse (IgM, IgG, IgA, IgE oder IgD) typisch ist. Dieser Teil des Antikörpers ist innerhalb einer jeden Klasse gleich.

Jedes Antikörpermolekül besteht aus 2 Teilen:

  • Variabler Teil: Dieser Teil ist variabel. Er ist darauf spezialisiert, sich an ein bestimmtes Antigen zu heften.

  • Konstanter Teil: Dieser Teil besteht aus einer von 5 Strukturen, die für die jeweilige Antikörperklasse (IgM, IgG, IgA, IgE oder IgD) typisch ist. Dieser Teil des Antikörpers ist innerhalb einer jeden Klasse gleich und bestimmt dessen Funktion.

Ein Antikörper kann seinen konstanten Teil wechseln und gehört dann einer anderen Klasse an. Der variable Teil ändert sich allerdings nicht. Der Antikörper kann daher immer noch das spezifische Antigen erkennen und binden, gegen das er gebildet worden ist.

IgM

Diese Antikörperklasse wird bei einer ersten Begegnung mit einem bestimmten Antigen (wie ein Antigen eines infektiösen Mikroorganismus) produziert. Die Immunreaktion, die bei der ersten Begegnung mit einem Antigen ausgelöst wird, wird primäre Immunreaktion genannt. Der IgM-Antikörper heftet sich dann an ein Antigen an, aktiviert das Komplementsystem und erleichtert so anderen Immunzellen das Verschlingen des Mikroorganismus.

IgM-Antikörper sind in der Regel im Blut und nicht im Gewebe vorhanden.

IgG

Die häufigste Klasse sind die IgG-Antikörper, die bei einer erneuten Begegnung mit einem bestimmten Antikörper produziert werden. Bei dieser Immunreaktion (auch sekundäre Immunreaktion genannt) werden mehr Antikörper als bei der primären Immunreaktion produziert. Zudem ist die sekundäre Immunreaktion schneller und die produzierten Antikörper - vorwiegend IgG-Antikörper - sind wirksamer.

IgG-Antikörper schützen den Körper vor Bakterien, Viren, Pilzen und giftigen Substanzen.

IgG-Antikörper sind sowohl im Blut als auch in Geweben vorhanden. Es ist die einzige Antikörperklasse, die die Plazentaschranke überwindet und von der Mutter zum Fetus gelangen kann. Die mütterlichen IgG-Antikörper schützen den Fetus und das Neugeborene so lange, bis das kindliche Immunsystem seine eigenen Antikörper produzieren kann.

Die IgG-Antikörperklasse ist auch die am häufigsten für therapeutische Zwecke verwendete Klasse. Beispielsweise besteht Immunglobulin (Antikörpern, die aus dem Blut von Personen mit einem normalen Immunsystem gewonnen werden) hauptsächlich aus IgG. Immunglobulin wird zur Behandlung einiger Immundefekte und Autoimmunerkrankungen verwendet.

IgA

Diese Antikörperklasse unterstützt die Abwehr von Mikroorganismen, die durch mit Schleimhäuten ausgekleidete Körperoberflächen unter anderem durch Nase, Augen, Lungen und Verdauungstrakt in den Körper eindringen.

IgA findet sich in:

  • Blutkreislauf

  • Von Schleimhäuten produzierten Absonderungen (wie Tränen und Speichel)

  • Kolostrum (die vor der eigentlichen Muttermilch während der ersten Tage nach der Geburt von der Brust produzierte Flüssigkeit)

IgE

Diese Antikörper lösen eine sofortige allergische Reaktion aus. IgE-Antikörper binden im Blutkreislauf an basophile Granulozyten (eine Art der weißen Blutkörperchen) und in Geweben an Mastzellen. Wenn diese an IgE-Antikörper angedockten basophilen Granulozyten oder Mastzellen mit Allergenen (Antikörper, die allergische Reaktionen verursachen) in Kontakt kommen, setzen sie Substanzen (wie Histamin) frei, die eine Entzündung verursachen und umliegendes Gewebe schädigen. Somit sind IgE-Antikörper die Klasse von Antikörpern, die häufig mehr zu schaden als zu nützen scheinen. Allerdings helfen IgE bei der Abwehr bestimmter Parasiteninfektionen, wie sie in einigen Ländern der Welt häufig anzutreffen sind.

Kleine Mengen von IgE-Antikörpern sind im Blutkreislauf und im Schleim des Verdauungssystems vorhanden. Menschen mit Asthma, Heuschnupfen, anderen allergischen Erkrankungen oder Parasiteninfektionen weisen größere Mengen IgE-Antikörper auf.

IgD

IgD-Antikörper sind hauptsächlich auf der Oberfläche von unreifen B-Zellen zu finden. Sie helfen diesen Zellen bei der Reifung.

Eine kleine Menge dieser Antikörper ist auch im Blut vorhanden. Deren Funktion im Blutkreislauf ist bisher weitgehend ungeklärt.

Angriffsstrategien

Verschiedene Arten von eindringenden Mikroorganismen werden auf unterschiedliche Weisen angegriffen und zerstört.

Einige werden direkt von Zellen (Phagozyten wie neutrophile Granulozyten und Makrophagen) verdaut, die diese Eindringlinge erkennen, verschlingen und zerstören können.

Phagozyten können allerdings bestimmte, von einer Kapsel umgebene Bakterien nicht direkt erkennen. In diesen Fällen müssen B-Zellen den Phagozyten bei der Erkennung helfen. B-Zellen produzieren Antikörper gegen Antigene der Bakterienkapsel. Die Antikörper heften sich an die Kapsel an. Anschließend können die Phagozyten die Bakterien erkennen.

Einige Mikroorganismen lassen sich nicht vollständig eliminieren. Um sich dennoch gegen diese Mikroorganismen zu schützen, baut das Immunsystem eine Wand um diese auf. Diese Wand wird aus sich aneinander anlagernden Phagozyten und hier insbesondere Makrophagen gebildet. Diese Wand um einen Mikroorganismus wird Granulom genannt. Einige derart eingeschlossene Bakterien können ohne Zeitbegrenzung im Körper überleben. Wird das Immunsystem zu einem späteren Zeitpunkt (sogar 50 oder 60 Jahre später) geschwächt, können die Wände des Granuloms zerfallen und die Bakterien beginnen, sich zu vermehren, was wiederum zu Krankheitssymptomen führt.