Andere Ursachen für eine Thrombozytopenie

VonDavid J. Kuter, MD, DPhil, Harvard Medical School
Überprüft/überarbeitet Mai 2024
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Die Zerstörung der Thrombozyten kann sich durch immunologische Ursachen (Virusinfektion, Medikamente, systemische rheumatische oder lymphoproliferative Erkrankungen, Bluttransfusionen) oder durch nichtimmunologische Ursachen (Sepsis, Gefäßfehlbildungen, akutes Atemnotsyndrom) entwickeln. Es zeigen sich Petechien, Purpura und Schleimhautblutungen. Die Laborbefunde hängen von der Ursache ab. Manchmal kann nur die Anamnese zur Diagnose führen. Therapie bedeutet Behandlung der zugrunde liegenden Störung.

    (Siehe auch Übersicht über die Herzklappenkrankheiten.)

    Akutes Atemnotsyndrom (ARDS)

    Patienten mit ARDS können eine nichtimmunologische Thrombozytopenie entwickeln, möglicherweise sekundär als Folge des Verbleibens von Thrombozyten im pulmonalen Kapillarbett.

    Bluttransfusionen

    Bei der Posttransfusionspurpura handelt es sich um eine immunologische Thrombozytenzerstörung, die sich nicht von einer Immunthrombozytopenie (ITP) unterscheiden lässt, mit Ausnahme einer Bluttransfusion in der Anamnese innerhalb der letzten 7 bis 10 Tage. Den Patienten, zumeist Frauen, fehlt ein Thrombozytenantigen (PLA-1), das bei den meisten Menschen vorhanden ist. Die Transfusion mit PLA-1-positiven Thrombozyten stimuliert die Bildung von Anti-PLA-1-Antikörpern, die über einen unbekannten Mechanismus mit den PLA-1-negativen Thrombozyten des Patienten reagieren können. Die Folge sind schwere Thrombozytopenien, die innerhalb von 2–6 Wochen wieder nachlassen. Eine Behandlung mittels IV Immunglobulin verläuft gewöhnlich erfolgreich.

    Systemische rheumatische und lymphoproliferative Erkrankungen

    Systemische rheumatische Erkrankungen (z. B. systemischer Lupus erythematodes), Antiphospholipid-Syndrom oder lymphoproliferative Erkrankungen (z. B. chronische lymphatische Leukämie [CLL]) können eine sekundäre ITP verursachen. Kortikosteroide und die üblichen Behandlungen für Immunthrombozytopenie sind oft wirksam; die Behandlung der zugrundeliegenden Störung verlängert nicht immer die Remission.

    Medikamenteninduzierte Thrombozytenzerstörung

    Häufig verwendete Arzneimittel, die gelegentlich eine Thrombozytopenie induzieren, sind

    • Carbamazepin

    • Chlorpropamid

    • Glykoprotein-IIb-/-IIIa-Inhibitoren (z. B. Abciximab, Eptifibatid, Tirofiban)

    • Heparin

    • Hydrochlorothiazid

    • Chinin

    • Ranitidin

    • Rifampicin

    • Trimethoprim/Sulfamethoxazol

    • Vancomycin

    Mit Ausnahme von Heparin tritt eine arzneimittelinduzierte Thrombozytopenie in der Regel dann auf, wenn ein an die Thrombozyten oder ein Trägerprotein gebundenes Arzneimittel ein neues, "fremdes" Antigen bildet und eine Immunreaktion auslöst. Diese Erkrankung ist von der ITP nicht zu unterscheiden, abgesehen von der Anamnese der Medikamenteneinnahme. Nach Absetzen des Arzneimittels steigt der Thrombozytenwert innerhalb von 1–2 Tagen wieder an und hat sich innerhalb von 7 Tagen normalisiert.

    Heparin-induzierte Thrombozytopenie

    Eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) tritt bei bis zu 1% der Patienten auf, die unfraktioniertes Heparin erhalten. Eine heparininduzierte Thrombozytopenie kann auch dann auftreten, wenn sehr gering dosiertes Heparin (z. B. Heparinlösung zum Offenhalten von IV oder arteriellen Gefäßzugängen) verwendet wird. Dem liegt gewöhnlich ein immunologischer Mechanismus zugrunde.

    Blutungen treten selten auf, jedoch kommt es häufiger zur Bildung von Thromben, die Gefäßverschlüsse und lebensbedrohliche paradoxe arterielle und venöse Thrombosen auslösen können (z. B. thrombembolischer Verschluss von Extremitätenarterien, Schlaganfall, akuter Myokardinfarkt).

    Heparin sollte bei jedem Patienten, der thrombozytopenisch wird und eine neue Thrombose entwickelt oder dessen Thrombozytenzahl um mehr als 50% abnimmt, sofort abgesetzt werden, bis die Ergebnisse von Tests zum Nachweis von an den Thrombozytenfaktor 4 gebundenen Antikörpern gegen Heparin vorliegen.

    Die Antikoagulation mit Antikoagulanzien der Non-Heparin-Gruppe (z. B. Argatroban, Bivalirudin, Fondaparinux) sollte mindestens bis zur Erholung der Thrombozytenzahl durchgeführt werden.

    Niedermolekulares Heparin (LMWH) ist weniger immunogen als unfraktioniertes Heparin, kann aber Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie nicht gegeben werden, da die meisten Antikörper gegen heparininduzierte Thrombozytopenie eine Kreuzreaktion mit LMWH zeigen. Fondaparinux ist bei vielen Patienten eine akzeptable Alternative, aber aufgrund seiner langen Halbwertszeit von 17 Stunden ist es nicht geeignet für Patienten, die bald einen Eingriff benötigen oder ein hohes Blutungsrisiko haben. Warfarin sollte bei Patienten mit heparin-induzierter Thrombozytopenie nicht durch Heparin ersetzt werden. Bei Patienten, die eine anschließende Antikoagulation mit Warfarin benötigen, sollte Warfarin erst begonnen werden, wenn sich die Thrombozytenzahl erholt hat.

    Bei einigen Patienten mit HIT kann die Verwendung direkter oraler Antikoagulanzien (Apixaban, Rivaroxaban) in Betracht gezogen werden.

    Infektionen

    Eine HIV-Infektion kann eine immunologisch bedingte Thrombozytopenie verursachen, die von der Immunthrombozytopenie klinisch nicht zu unterscheiden ist. Wenn Glukokortikoide gegeben werden, kann der Thrombozytenwert steigen. Glukokortikoide werden jedoch häufig nur dann eingesetzt, wenn die Thrombozytenzahl auf < 20.000/mcl (< 20 × 109/l) sinkt, da Glukokortikoide die Immunfunktion weiter beeinträchtigen können. Häufig steigen die Thrombozytenzahlen auch als Folge der Initiierung einer antiviralen Behandlung an.

    Eine Hepatitis-C-Infektion ist häufig mit einer Thrombozytopenie assoziiert. Eine aktive Infektion kann eine Thrombozytopenie auslösen, die nicht von einer Immunthrombozytopenie mit Thrombozytenwerten < 10.000/mcl zu unterscheiden ist (< 10 × 109/L). Leichtere Thrombozytopenien (Thrombozytenzahl 40.000–70.000/mcl [40-70 × 109/l]) können sich durch Leberschäden entwickeln. Die Bildung des hämatopoetischen Wachstumsfaktors Thrombopoetin, der das Megakaryozytenwachstum und die Thrombozytenproduktion reguliert, wird dadurch vermindert. Die hepatitisinduzierte Thrombozytopenie wird wie die Immunthrombozytopenie behandelt.

    Andere Infektionen wie systemische Virusinfektionen (z. B. Epstein-Barr-Virus, Zytomegalievirus), Rickettsieninfektionen (z. B. Rocky-Mountain-Fleckfieber) und bakterielle Sepsis gehen häufig mit Thrombozytopenie einher.

    Schwangerschaft

    Bei etwa 5% der Frauen kommt es in der späten Schwangerschaft zu einer meist asymptomatischen Thrombozytopenie (Gestationsthrombozytopenie). Meist verläuft sie in einer leichten Form (Thrombozytenwerte < 70.000/mcl sind selten [< 70 × 109/l]), erfordert keine Behandlung und verschwindet nach der Entbindung. Allerdings kann sich eine schwere Thrombozytopenie bei Schwangeren mit Präeklampsie und HELLP-Syndrom (Hämolyse, Erhöhte Leberenzyme, und niedrige (low) Thrombozytenwerte (platelets) entwickeln. Bei den Frauen muss dann in der Regel umgehend die Geburt eingeleitet werden; liegt die Thrombozytenzahl < 20.000/mcl (< 20 × 109/l), bzw. < 50.000/mcl (< 50 × 109/l), falls ein Kaiserschnitt geplant ist), sollte eine Thrombozytentransfusion in Betracht gezogen werden (1).

    Sepsis

    Eine Sepsis führt häufig zu einer nichtimmunologischen Thrombozytopenie, deren Ausmaß parallel zur Schwere der Infektion verläuft. Die Thrombozytopenie hat mehrere Ursachen:

    • Aktivierung von Komplement

    • Ablagerung von Thrombozyten auf beschädigten Endotheloberflächen

    • Disseminierte intravasale Gerinnung

    • Bildung von Immunkomplexen, die mit Thrombozyten assoziieren können

    • Thrombozytenapoptose

    • Entfernung der Sialinsäure auf der Oberfläche der Thrombozyten, was zu einer erhöhten Ausscheidung der Thrombozyten durch die Leber führt, die durch die Ashwell-Morell-Rezeptoren der Hepatozyten oder die CLEC4F-Rezeptoren der Kupfferzellen vermittelt wird

    Hinweis

    1. 1. Fogerty AE, Kuter DJ. How I Treat Thrombocytopenia in Pregnancy. Blood Published online November 22, 2023. doi:10.1182/blood.2023020726