In Johanniskrautblüten (Hypericum perforatum) sind die biologisch aktiven Inhaltsstoffe Hypericin und Hyperforin enthalten. Johanniskraut kann die Serotoninkonzentration im Zentralnervensystem erhöhen und in sehr hoher Dosierung wie ein MAO (Monoaminoxidase)-Hemmer wirken.
(Siehe auch Nahrungsergänzungsmittel im Überblick und National Institutes of Health (NIH): St. John’s wort.)
Behauptungen
Die Studienergebnisse sind unterschiedlich, aber Johanniskraut könnte Patienten mit leichten bis mittelschweren Depressionen helfen, die keine Suizidgedanken haben. Gut aufgebaute Studien wurden über Johanniskraut zur Behandlung von schwerer Depression durchgeführt. Dosierungen sind 300–900 mg einmal täglich p.o. (für eine standardisierte Zubereitung mit 0,2– 0,3%igem Hypericin oder 1–4%igem Hyperforin oder beidem).
Johanniskraut soll auch bei HIV-Infektion einen therapeutischen Nutzen haben, weil Hypercirin eine Vielzahl von eingekapselten Viren, einschließliche HIV, hemmt; es ist allerdings nachweislich zu starken Interaktionen mit Proteasehemmern und nichtnukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmern (NNRTI) gekommen und sollte daher vermieden werden (1-2).
Es wurde auch behauptet, dass mit Johanneskraut Hauterkrankungen behandelt werden können, einschließlich Psoriasis sowie Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern.
Belege
Zahlreiche randomisierte, placebokontrollierte Studien haben die Sicherheit und Wirksamkeit von Johanniskraut bei der Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen und vor Kurzem bei schweren depressiven Störungen bewertet (3-8). Johanniskraut wurde auch mit trizyklischen Antidepressiva (Amitryptilin, Imipramin) und in jüngerer Zeit mit den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) Fluoxetin, Sertralin und Paroxetin verglichen (4-8). Die meisten placebokontrollierten Studien haben gezeigt, dass standardisierte Extrakte von Johanniskraut im Dosisbereich von 300 mg bis 900 mg einmal täglich mäßig wirksam bei der Behandlung von leichten bis mittelschweren depressiven Symptomen sind. Einige Studien haben die Gleichwertigkeit von 900 mg Johanniskraut zu niedrig dosiertem Imipramin und niedrig dosiertem Fluoxetin gezeigt. Eine Studie von Patienten mit einer schweren Depression hat über einen kurzen Zeitraum keine signifikante Verbesserung weder gegenüber dem Placebo noch gegenüber Standard-Dosierungen von Sertralin gezeigt (7). Jedoch stellen die Autoren fest, dass sowohl Johanniskraut als auch Sertralin über lange Zeiträume gleich wirksam waren, was das Potenzial als alternativen ökonomischen Wert von Johanniskraut als Therapeutikum zur Behandlung von Depression anzeigt, wenn es in niedrigen Dosen genommen wird und wenn Arzneimittel-Wechselwirkungen nicht von Belang sind (7).
Insgesamt zeigen einige Studien die Wirksamkeit von Johanniskraut bei der Behandlung von milder Depressionen, während bei großen Depressionen die meisten Studien keine Wirksamkeit zeigen. Die Unterschiede in der Konzeption der Studien (fehlende aktive Kontrolle und Placebo), der Studienpopulationen (große vs. leichte/mittlere Depression), Dauer und Dosierung von Johanniskraut oder Vergleichsmittel sind für einige Abweichungen in den Ergebnissen wahrscheinlich verantwortlich.
Eine systematische Überprüfung von 35 Studien (6993 Probanden) im Jahr 2016 verglich Johanniskraut mit Placebo oder herkömmlichen Antidepressiva (9). Johanniskraut war Placebo überlegen, unterschied sich jedoch nicht von herkömmlichen Antidepressiva bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Die Studien waren jedoch heterogen und schwere Depressionen wurden nicht untersucht (9). Eine 2017 durchgeführte Metaanalyse von 27 Studien (3808 Probanden) verglich Johanniskraut mit SSRI. Johanniskraut war in Reaktion und Remission bei leichten bis mittelschweren Depressionen mit SSRI vergleichbar, hatte jedoch niedrigere Abbruchraten (10).
Zwei sehr kleine Pilotstudien zeigen mögliche Linderung von Hauterkrankungen durch topische Anwendung, einschließlich Psoriasis (11-12). Eine kleine Studie zeigte, dass Johanniskraut (Hypericin standardisiert, aber nicht Hyperforin) die Symptome von ADHS bei Kindern nicht lindern kann (13).
Nebenwirkungen
Möglich sind Lichtempfindlichkeit, Mundtrockenheit, Verstopfung, Benommenheit, Verwirrtheit und Manien (bei Patienten mit bipolaren Störungen). Es wurde über einen seltenen Fall von supraventrikulärer Tachykardie berichtet (14). In der Schwangerschaft ist Johanniskraut kontraindiziert.
Interaktionen mit Medikamenten
Mögliche unerwünschte Wechselwirkungen bestehen mit Cyclosporin, Digoxin, Eisenpräparaten, Monoaminoxidase-Hemmern (MAOI), nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmern (NNRTIs), oralen Kontrazeptiva, Opioid, Protease-Hemmern, SSRI, trizyklischen Antidepressiva und Warfarin, sowie einigen direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien (15-17). (Siehe auch Tabelle Einige mögliche Wechselwirkungen von Nahrungsmittelergänzugen.)
Literatur
1. Maury W, Price JP, Brindley MA, et al: Identification of light-independent inhibition of human immunodeficiency virus-1 infection through bioguided fractionation of Hypericum perforatum. Virol J 6:101-113, 2009. doi:10.1186/1743-422X-6-101
2. Kakuda TN, Schöller-Gyüre M, Hoetelmans RM: Pharmacokinetic interactions between etravirine and non-antiretroviral drugs. Clin Pharmacokinet 50(1):25-39, 2011. doi: 10.2165/11534740-000000000-00000
3. Solomon D, Adams J, Graves N: Economic evaluation of St. John's wort (Hypericum perforatum) for the treatment of mild to moderate depression. J Affect Disord 148(2-3):228-234, 2013. doi: 10.1016/j.jad.2012.11.064
4. van Gurp G, Meterissian GB, Haiek LN, et al: St John's wort or sertraline? Randomized controlled trial in primary care. Can Fam Physician 48:905-912, 2002
5. Woelk H: Comparison of St John's wort and imipramine for treating depression: randomised controlled trial. BMJ 321(7260):536-539, 2000. doi: 10.1136/bmj.321.7260.536
6. Fava M, Alpert J, Nierenberg AA, et al: A double-blind, randomized trial of St John's wort, fluoxetine, and placebo in major depressive disorder. J Clin Psychopharmacol 25(5):441-447, 2005. doi:10.1097/01.jcp.0000178416.60426.29
7. Sarris J, Fava M, Schweitzer I, et al: St John's wort (Hypericum perforatum) versus sertraline and placebo in major depressive disorder: continuation data from a 26-week RCT. Pharmacopsychiatry 45(7):275-278, 2012. doi: 10.1055/s-0032-1306348
8. Seifritz E, Hatzinger M, Holsboer-Trachsler E: Efficacy of Hypericum extract WS(R) 5570 compared with paroxetine in patients with a moderate major depressive episode - a subgroup analysis. Int J Psychiatry Clin Pract 20(3):126-32, 2016. doi: 10.1080/13651501.2016.1179765
9. Apaydin EA, Maher AR, Shanman R, et al: A systematic review of St. John's wort for major depressive disorder. Systematic Reviews 5:148, 2016. doi: 10.1186/s13643-016-0325-2
10. Ng QX, Venkatanarayanan N, Ho CY: Clinical use of Hypericum perforatum (St John's wort) in depression: a meta-analysis. J Affect Disord 210:211-221, 2017. doi: 10.1016/j.jad.2016.12.048
11. Najafizadeh P, Hashemian F, Mansouri P, et al: The evaluation of the clinical effect of topical St Johns wort (Hypericum perforatum L.) in plaque type psoriasis vulgaris: a pilot study. Australas J 53(2):131-135, 2012. doi: 10.1111/j.1440-0960.2012.00877.x
12. Rook AH, Wood GS, Duvic M, et al: A phase II placebo-controlled study of photodynamic therapy with topical hypericin and visible light irradiation in the treatment of cutaneous T-cell lymphoma and psoriasis. J Am Acad Dermatol 63(6):984-990, 2010. doi: 10.1016/j.jaad.2010.02.039
13. Weber W, Vander Stoep A, McCarty RL, et al: Hypericum perforatum (St John's wort) for attention-deficit/hyperactivity disorder in children and adolescents: a randomized controlled trial. JAMA 299(22):633-2641, 2008. doi: 10.1001/jama.299.22.2633
14. Fisher KA, Patel P, Abualula S, Concepion L: St. John's wort-induced supraventricular tachycardia. Cureus 13(4):e14356, 2021. doi:10.7759/cureus.14356
15. Borrelli F, Izzo AA: Herb-drug interactions with St John's wort (Hypericum perforatum): an update on clinical observations. AAPS J 11(4):710-727, 2009. doi: 10.1208/s12248-009-9146-8
16. Nadkarni A, Oldham MA, Howard M, et al: Drug-drug interactions between warfarin and psychotropics: updated review of the literature. Pharmacotherapy 32(10):932-942. 2012. doi: 10.1002/j.1875-9114.2012.01119
17. Tsai HH, Lin HW, Simon Pickard A, et al: Evaluation of documented drug interactions and contraindications associated with herbs and dietary supplements: a systematic literature review. Int J Clin Pract 66(11):1056-1078, 2012. doi: 10.1111/j.1742-1241.2012.03008.x
Weitere Informationen
Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.
National Institutes of Health (NIH), National Center for Complementary and Integrative Health: General information on the use of St. John’s wort as a dietary supplement