Nahezu alle Formen des Kreislaufschocks machen die umfangreiche intravenöse Volumengabe erforderlich. Dies entspricht der Situation bei schweren intravaskulären Flüssigkeitsverlusten, wie sie bei Diarrhö oder Hitzschlag auftreten. Der intravasale Flüssigkeitsmangel wird in der Akutsituation zunächst durch Vasokonstriktion kompensiert. Innerhalb der nächsten Stunden erfolgt dann ein Übertritt von Flüssigkeit aus dem extravasalen Raum in das intravaskuläre Kompartment hinein. So kann das zirkulierende Volumen auf Kosten des Gesamtkörperwassers aufrechterhalten werden. Allerdings werden diese Kompensationsmechanismen durch weitere Flüssigkeitsverluste oft überstiegen.
Siehe Flüssigkeitsstoffwechsel zur Diskussion des Erhaltungsflüssigkeitsbedarfs und siehe Dehydratation und Flüssigkeitstherapie bei Kindern zur Diskussion der milden Dehydratation.
Fluids for IV Fluid Resuscitation
Die Wahl des geeigneten Volumenersatzmittels ist vom Pathomechanismus abhängig, der das Defizit ausgelöst hat.
Blutung
Erythrozytenverlust reduziert die O2-Bindungskapazität. Der Körper erhöht jedoch die Herzleistung, um die Sauerstoffzufuhr (DO2) aufrechtzuerhalten und die Sauerstoffextraktion zu erhöhen. Diese Kompensationsmechanismen sorgen für eine Anhebung der Sicherheitsgrenze bis zum 9-Fachen des Sauerstoff-Ruhebedarfs. Somit können sauerstofffreie Infusionslösungen (z. B. kristalloide oder kolloide Lösungen) zur Wiederherstellung des intravasalen Volumens bei leichten bis moderaten Formen des Blutverlustes eingesetzt werden. Bei einem schweren hämorrhagischen Schock werden jedoch Blutprodukte benötigt.
Eine frühe Gabe von Plasma und Blutplättchen minimiert vermutlich die durch Verdünnung hervorgerufene Verbrauchskoagulopathie, die große Blutungen begleitet. Es wird ein Verhältnis von 1 Einheit Plasma für je 1 Einheit Erythrozyten und je 1 Einheit Thrombozyten empfohlen (1). Wenn der Patient stabil ist, wenn das Hämoglobin auf < 7 g/dl (70 g/l), sinkt und eine kardiale oder zerebrale Ekrankung fehlt, sollte dafür gesorgt werden, dass die Sauerstoff-Transportkapazität wiederhergestellt wird. Hierzu ist die zusätzliche Transfusion von Blutkomponenten (oder künftig von Blutersatzstoffen) erforderlich. Patienten mit aktiver koronarer oder zerebraler Gefäßerkrankung oder fortgesetzter Blutung benötigen den Ersatz von Blut bereits bei einem Hämoglobinwert < 10 g/dl (100 g/l).
Kristalloide für den intravasalen Volumenersatz sind üblicherweise isotone Lösungen (z. B. 0,9%ige NaCl- oder Ringer-Lactat-Lösung). Bei diesen Lösungen verlässt Wasser ungehindert den Gefäßraum, sodass schließlich nur etwa 10% der isotonen Lösung im Gefäßsystem verbleiben. Bei hypotonen Flüssigkeiten (z. B. 0,45%ige NaCl-Lösung) dagegen ist dieser Anteil noch geringer. Diese Lösungen eignen sich daher nicht zum Volumenersatz. Sowohl 0,9%ige Kochsalzlösung als auch Ringerlaktat sind gleich wirksam; Ringerlaktat kann im hämorrhagischen Schock bevorzugt werden, da es die Azidose etwas minimiert und keine Hyperchlorämie verursacht. Bei Patienten mit frischem Schädel-Hirn-Trauma wird 0,9%iges NaCl gewählt. Hypertonische Kochsalzlösung wird nicht zum Volumenersatz empfohlen, da Befunde nahe legen, dass hinsichtlich des Ergebnisses kein Unterschied verglichen zu isotonischen Flüssigkeiten besteht.
Kolloide (Hydroxyethylstärke, Albumin, Dextrane) sind ebenfalls sehr effektiv beim Volumenersatz während einer Blutung. Kolloidlösungen bieten jedoch keinen großen Vorteil gegenüber kristallinen Lösungen, Hydroxyethylstärke erhöht das Risiko einer Nierenverletzung und Albumin wurde mit schlechteren Ergebnissen bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen in Verbindung gebracht. Sowohl Dextrane als auch Hydroxyethylstärke wirken bei einer Dosierung > 1500 ml gerinnungshemmend. In Deutschland wird Hydroxyethylstärke favorisiert (2).
Blut wird in Form von Erythrozytenkonzentraten (EK) nach erfolgter Kreuzprobe appliziert. In Notsituationen können allerdings auch 1–2 Einheiten der Blutgruppe O Rh-negativ gegeben werden. Werden mehr als 1–2 EK transfundiert (etwa bei ausgedehnten Traumata), sollten die Blutkomponenten auf 37° C angewärmt werden. Erhält ein Patient mehr als > 6 Einheiten, müssen meist auch der Ersatz von Gerinnungsfaktoren in Form von Gefrierplasma oder Kryopräzipitaten sowie die Gabe von Thrombozytenkonzentraten in Betracht gezogen werden (siehe auch Blutprodukte).
Blutersatzstoffe sind sauerstofftransportierende Flüssigkeiten, die auf Hämoglobin oder Perfluorkohlenwasserstoffen basieren können. Hämoglobin-basierte Lösungen enthalten freies Hämoglobin, das in Liposomen eingeschlossen ist oder anderweitig modifiziert wurde (Veränderung der Oberflächenbeschaffenheit oder in Verbindungen mit anderen Molekülen), um somit die renale Ausscheidung und auch die Toxizität zu begrenzen. Weil keine antigentragenden Erythrozyten vorhanden sind, ist auch keine Kreuzprobe erforderlich. Die Haltbarkeit übersteigt meist ein Jahr. Somit ist die Verfügbarkeit dieser Präparate deutlich verlässlicher als für eingelagerte Blutkonserven. Perfluorcarbone sind intravenös anwendbare Carbonfluorin-Emulsionen, die große Mengen von Sauerstoff transportieren können. Für die Blutersatzstoffe wurde allerding bis jetzt noch nicht nachgewiesen, dass sie das Überleben erhöhen, und einige zeigen signifikante Nebenwirkungen (z. B. Hypotonie). Derzeit stehen keine Blutersatzstoffe kommerziell zur Verfügung. Die Forschung zu anderen Blutersatzstoffen ist noch nicht abgeschlossen.
Hypovolämie ohne Blutung
Isotone kristalloide Lösungen werden üblicherweise zur intravasalen Volumenauffüllung während des Schocks und der Hypovolämie gegeben. Kolloide werden grundsätzlich nicht eingesetzt. Patienten mit Dehydratation und hinreichendem zirkulierendem Flüssigkeitsvolumen haben typischerweise ein Defizit an freiem Wasser. Hier werden hypotone Lösungen (z. B. 5%ige Glukose, 0,45%ige NaCl-Lösung) angewendet.
Literatur zu Flüssigkeiten
1. Holcomb JB, Tilley BC, Baraniuk S, et al: Transfusion of plasma, platelets, and red blood cells in a 1:1:1 vs a 1:1:2 ratio and mortality in patients with severe trauma: The PROPPR randomized clinical trial. JAMA 313(5):471-482, 2015. doi:10.1001/jama.2015.12
2. Myburgh JA, Finfer S, Bellomo R, et al: Hydroxyethyl starch or saline for fluid resuscitation in intensive care. N Engl J Med 367(20): 1901-1911, 2012. doi: 10.1056/NEJMoa1209759
Art und Umfang der Anwendung
Große (14–16 Gauge) intravenöse Verweilkanülen zur peripheren Venenpunktion sind der übliche Standard für die meisten Formen des Volumenersatzes. Auf diesem Wege können Volumina von 1000 ml in 10–15 Minuten oder 1 Einheit Blutkörperchen in 20 Minuten gegeben werden. Als Druckinfusion lässt sich 1 Einheit Erythrozyten auch in weniger als 5 Minuten infundieren. Bei Patienten mit hochgradigem Blutverlust können über einen großlumigen (z. B. 8,5 French) zentralvenösen Katheter noch größere Volumeneinheiten pro Zeiteinheit appliziert werden.
Patienten im Schock benötigen und tolerieren größte Flüssigkeitsvolumina. Bei Erwachsenen werden 1000 ml Kristalloide (20 ml/kg bei Kindern) oder im hämorrhagischen Schock 5–10 ml/kg von Kolloiden oder Erythrozyten gegeben. Danach erfolgt eine Neueinschätzung der klinischen Situation des Patienten. Ausnahmen sind Patienten mit kardiogenem Schock, die typischerweise keinen gesteigerten Volumenbedarf haben.
Patienten mit intravasalem Volumenmangel ohne Schocksymptomatik können einen kontrollierten Volumenersatz in einer Größenordnung von 500 ml/Stunde erhalten. Bei Kindern sollte das Flüssigkeitsdefizit genauer berechnet werden und der Ersatz über einen Zeitraum von 24 Stunden erfolgen (davon die erste Hälfte in den ersten 8 Stunden).
Endpunkt und Überwachung von Volumenersatz
Das eigentliche Ziel bei der Infusionstherapie bei Schock ist die Optimierung der Gewebeperfusion. Allerdings lässt sich dieser Moment nicht exakt ermitteln. Surrogatmarker sind die Hinweise auf eine ausreichende Perfusion der Endorgane sowie die Messung der Vorlast.
Eine adäquate Perfusion der Endorgane kann am besten anhand der Urinproduktion von mehr als 0,5–1 ml/kg/Stunde erschlossen werden. Herzfrequenz, Bewusstseinsstatus und Rekapillarisierungszeit können durch die zugrunde liegende Erkrankung beeinflusst sein und sind daher als Marker weniger verlässlich. Auch bei normalen peripheren Blutdruckwerten kann eine Minderperfusion von Organen vorliegen. Aufgrund der kompensatorischen Vasokonstriktion gilt der mittlere arterielle Blutdruck (MAP) nur als ein grobes Richtmaß. Ein erhöhter arterieller Blutlaktatspiegel kann Hypoperfusion und/oder anhaltenden Sympathikus aus der körpereigenen Katecholaminproduktion widerspiegeln; der Laktatspiegel sinkt jedoch nicht für mehrere Stunden nach erfolgreicher Reanimation. Der Trend beim Basendefizit kann anzeigen, ob der Volumenersatz ausreichend ist. Andere Untersuchungsmethoden wie die sublinguale Kohlendioxid-Bestimmung im Gewebe oder die Nahinfrarot-Spektroskopie zur Messung der Gewebeoxygenierung durch die Haut können ebenfalls in Betracht gezogen werden.
Zentralvenöser Druck
Da die Urinproduktion keine ausreichende Information über die momentane Situation gewährt, kann die Messung der Vorlast bei kritischen Intensivpatienten eine sinnvolle Maßnahme zur Steuerung des Volumenersatzes sein. Der zentralvenöse Druck (ZVD) ist der mittlere Druck in der Vena cava superior und gibt somit Aufschluss über den rechtsventrikulären enddiastolischen Druck oder die Vorlast (Preload). Der normale ZVD beträgt 2–7 mmHg (3–9 cm Wasser). Beim instabilen oder traumatisierten Patienten mit einem ZVD < 3 mmHg kann ein Volumenmangel angenommen werden, und die Gabe von Flüssigkeit gilt als sichere Maßnahme. Liegt der ZVD innerhalb des Normalbereichs, kann ein Volumendefizit jedoch nicht ausgeschlossen werden. Daher sollten 100–200 ml Volumen gegeben und die Reaktion darauf geprüft werden. Ein mäßiger Anstieg des ZVD auf diese Infusionsmenge hin deutet grundsätzlich in Richtung einer Hypovolämie. Ein Anstieg um mehr als 3–5 mmHg nach Gabe von 100 ml Lösung muss als Hinweis auf eine eingeschränkte kardiale Reserve interpretiert werden. Ein ZVD > 12–15 mmHg macht eine Hypovolämie als Ursache der Minderperfusion sehr unwahrscheinlich. Wegen der Gefahr der Überwässerung sollte eine Flüssigkeitsgabe in diesen Fällen sehr zurückhaltend vorgenommen werden.
Da der ZVD möglicherweise nur ein wenig verlässliches Maß für den Volumenstatus oder die linksventrikuläre Funktion darstellt, sollte, sofern keine Verbesserung der Kreislaufsituation nach initialer Volumengabe erreicht wurde, ein Pulmonalarterienkatheter zur Diagnostik und auch zur genauen Bemessung der Flüssigkeitstherapie in Betracht gezogen werden. Im Rahmen einer Beatmung müssen Füllungsdrücke mit Vorsicht interpretiert werden, besonders dann, wenn der positive endexspiratorische Druck (PEEP) oberhalb von Werten wie 10 cm Wasser gewählt wurde, oder im Rahmen eines akuten Lungenversagens, wo die pleuralen Drücke starken Schwankungen unterworfen sind. Messungen sollten immer am Ende einer Exspiration vorgenommen werden. Die Höhe des Transducers ist auf Vorhofniveau abzugleichen (mittlere Thoraxhöhe). Auf sorgfältige Kalibrierung ist zu achten.
Die Sonographie der Vena cava inferior und des rechten Ventrikels kann Informationen über den zirkulierenden Volumenstatus und die allgemeine Herzfunktion liefern. Die Interpretation der Bilder ist jedoch stark vom Benutzer abhängig und kann durch das Vorhandensein von Klappenfehlfunktionen und die Verwendung von Überdruckbeatmung kompliziert werden. Die weitverbreitete Anwendung von Ultraschall zur Steuerung der Volumenreanimation erfordert weitere Studien.
Traumatisch verursachter hämorrhagischer Schock
Bei Patienten mit einem traumatisch verursachten hämorrhagischen Schock ist ein geringfügig anderes Vorgehen zu wählen. Experimentelle und klinische Studien haben den Nachweis erbracht, dass eine interne Blutung (bei Organ- oder Gefäßverletzung) durch Anhebung des MAP auf normale oder hochnormale Werte verschlimmert werden kann. Daher befürworten einige Mediziner einen systolischen Blutdruck von 80–90 mmHg als Zielpunkt für den Volumenersatz bei solchen Patienten bis zur chirurgischen Sanierung der Blutungsquelle, es sei denn, es ist ein höherer Druck erforderlich, um eine adäquate Hirndurchblutung zu gewährleisten.
Wenn der Blutverlust unter Kontrolle ist, kann das Hämoglobin als Maß für weiteren Transfusionsbedarf herangezogen werden. Um den Verbrauch von Blutprodukten zu minimieren, wird ein Zielhämoglobin von 9 g/dl (90 g/l) empfohlen. Bei Patienten, die auch eine milde Anämie nur schwer tolerieren (bei koronar- oder zerebrovaskulärer Insuffizienz), sollte der Hämatokrit oberhalb von 30% Hämatokrit gehalten werden. Ein höherer Hämatokrit verbessert das Outcome nicht, verschlechtert jedoch möglicherweise die kapillare Perfusion durch Anhebung der Blutviskosität.
Komplikationen der i.v. Flüssigkeitsersatztherapie
Eine zu schnelle Infusion mit jeglicher Flüssigkeit kann zu Lungenödem, ARDS oder sogar einem Kompartmentsyndrom (z. B. abdominales Kompartmentsyndrom, Kompartmentsyndrom in den Extremitäten) führen.
Die Hämodilution durch Kristalloide an sich ist nicht schädlich, allerdings muss der Hämatokrit sorgfältig überwacht werden, um die Schwelle zur notwendigen Durchführung einer Transfusion nicht zu verpassen.
Bei Erythrozytentransfusionen besteht ein geringes Risiko der direkten Übertragung von Infektionen, aber bei kritisch kranken Patienten kommt es offenbar zu einer etwas höheren Rate von im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Dieses Risiko kann jedoch vermindert werden, indem nur Blut mit einer Lagerungsdauer von < 12 Tagen gegeben wird. In diesen Konserven sind die Erythrozyten noch verformbarer, sodass die Bildung von Zellniederschlägen in den Mikrogefäßen weniger wahrscheinlich ist. Weitere Komplikationen bei massiven Transfusionen werden an anderer Stelle diskutiert.