Kommentar - Kommt ein verzögertes Abklemmen der Nabelschnur Frühchen zugute?
Während der Schwangerschaft ist das ungeborene Kind (der Fötus) über die Nabelschnur mit dem Mutterkuchen (der Plazenta) verbunden. Diese Verbindung ermöglicht die Versorgung des Fötus mit nährstoffreichem Blut der Mutter. Da das Neugeborene diese Verbindung nach der Geburt nicht mehr braucht, klemmt der Arzt die Nabelschnur ab und durchtrennt sie nach der Entbindung.
Für lange Zeit herrschte unter den Ärzten eine Diskussion darüber, ob es besser ist, die Nabelschnur sofort zu durchtrennen oder ein oder zwei Minuten zu warten, damit das Neugeborene mit mehr Blut vom Mutterkuchen versorgt wird. Manche Ärzte haben sogar empfohlen, die Nabelschnur zu „melken“, um dem Neugeborenen so den letzten Tropfen Blut der Nabelschnur zu geben.
Obwohl man vielleicht glauben könnte, dass mehr Blut immer besser ist, könnte zu viel Blut möglicherweise den Blutkreislauf des Neugeborenen überfordern. Das gilt insbesondere für Frühchen, die kleiner sind und deren Entwicklung nicht ganz so fortgeschritten ist. Die zusätzliche Minute oder zwei, die der Arzt benötigt, um sich um die Nabelschnur zu kümmern, könnten zudem zu Verzögerungen bei der Wiederbelebung von Kindern führen, die Schwierigkeiten hatten. Einige zuvor durchgeführte Studien legten nahe, dass bei Frühchen, bei denen die Nabelschnur zeitverzögert abgeklemmt wurde, tatsächlich mehr Komplikationen auftraten.
Was wurde untersucht?
In einer vor Kurzem durchgeführten Studie in der medizinischen Fachzeitschrift New England Journal of Medicine wurde die Fragestellung untersucht, die sich mit der Sicherheit einer verzögerten Abklemmung der Nabelschnur befasst. Die Forscher wiesen Frühchen nach dem Zufallsverfahren zwei Gruppen zu. In einer Gruppe wurde die Nabelschnur sofort nach der Entbindung abgeklemmt. In der zweiten Gruppe warteten die Forscher, bevor die Nabelschnur abgeklemmt wurde. Die Forscher prüften, ob die Verzögerung bei der Abklemmung der Nabelschnur die Anzahl der Todesfälle oder der schwerwiegenden Probleme, die bei diesen Säuglingen auftraten, beeinflusste.
Was stellte man fest?
In den zwei Gruppen gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Raten der Todesfälle oder der schwerwiegenden Probleme. Nun empfehlen sowohl die US-amerikanische Fachgesellschaft für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (American College Obstetricians and Gynecologists) als auch die US-amerikanische Organisation von Kinderärzten (American Academy of Pediatrics), dass das Abklemmen der Nabelschnur bei Frühchen verzögert wird. Es scheint, dass die Ärzte zuversichtlicher sein können, eine Verzögerung des Abklemmens der Nabelschnur zu empfehlen. Es sind jedoch immer noch Studien notwendig, um die angemessene Zeitspanne für die Verzögerung des Abklemmens zu bestimmen.
Was ist mit termingerecht geborenen Säuglingen?
Ein verzögertes Abklemmen der Nabelschnur ist bei termingerecht geborenen Säuglingen erlaubt und mehr Krankenhäuser empfehlen dieses Vorgehen. In Forschungsarbeiten wurde festgestellt, dass diese Säuglinge mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit an einer durch einen Eisenmangel verursachten Blutarmut (Eisenmangelanämie) erkranken (und ein nicht so schwerer Fall einer Eisenmangelanämie verbessert die Entwicklung des Nervensystems). Es könnte jedoch ein höheres Gelbsuchtrisiko bestehen. Die Forschung dauert im Hinblick auf Frühchen noch an. Das Melken der Nabelschnur ist keine gängige Praxis bei gesunden termingerecht geborenen Säuglingen. Es kommt normalerweise zum Einsatz, wenn das medizinische Team die Nutzen einer verzögerten Abklemmung der Nabelschnur anstrebt, aber das Team aus individuellen Gründen für den Säugling keine Minute oder zwei warten kann, um dies zu tun.
