Bandscheibenvorfall

(Vorfall, Ruptur oder Prolaps einer Zwischenwirbelscheibe, Vorfall des Nucleus pulposus)

VonPeter J. Moley, MD, Hospital for Special Surgery
Überprüft/überarbeitet Okt. 2022
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Ein Bandscheibenvorfall tritt auf, wenn die harte Hülle einer Bandscheibe reißt oder aufbricht. Die weiche, gallertartige Masse in der Bandscheibe quillt durch die Hülle heraus (Vorfall).

  • Alterung, Verletzungen und Übergewicht können einen Bandscheibenvorfall verursachen.

  • Die Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall können leicht bis quälend sein.

  • Bildgebende Verfahren werden für die Diagnosestellung durchgeführt.

  • Die Betroffenen können ihr Risiko für einen Bandscheibenvorfall reduzieren, indem sie Sport treiben, ihre Muskeln kräftigen und ein gesundes Körpergewicht aufrechterhalten.

  • Die Behandlung umfasst Maßnahmen zur Linderung von Schmerzen und bisweilen einen operativen Eingriff.

Die Wirbelsäule setzt sich aus kleinen Knochen (Wirbeln) zusammen. Zwischen den Wirbeln befinden sich stoßdämpfende Bandscheiben. Die Bandscheiben haben eine feste äußere Schicht aus Faserknorpel und einen weichen, gallertartigen Kern, den sogenannten Gallertkern oder Nucleus pulposus.

Wenn plötzlich der darüber und der darunter liegende Wirbel auf die Bandscheibe drücken, z. B. beim Heben eines schweren Gegenstands, kann die Hülle reißen (Ruptur), was mit Schmerzen verbunden ist. Der Kern der Bandscheibe wölbt sich durch den Riss in der Hülle nach außen (Vorfall). Diese Wölbung kann die Spinalnervenwurzel oder manchmal auch das Rückenmark zusammendrücken, reizen und sogar beschädigen (siehe auch Kompression des Rückenmarks). Ein Bandscheibenriss oder -vorfall im unteren Rückenbereich ist eine häufige Ursache für Kreuzschmerzen und ein Ischiassyndrom. Der Riss oder Vorfall kann auch Nackenschmerzen verursachen, wenn er eine Bandscheibe im Halsbereich betrifft (sogenannter Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule).

Mehr als 80 Prozent aller Bandscheibenvorfälle treten aber im Lendenwirbelbereich auf, und zwar am häufigsten im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. In diesem Alter wird die Außenschicht schwächer und der Kern, der unter hohem Druck steht, kann sich durch einen Riss oder eine brüchige Stelle vorwölben. Ab dem 50. Lebensjahr beginnt sich der Kern zu verhärten, sodass ein Vorfall weniger wahrscheinlich wird.

Zu einem Bandscheibenvorfall kann es durch eine plötzliche traumatische Verletzung oder wiederholte kleinere Verletzungen kommen. Übergewicht und das Heben schwerer Lasten, besonders wenn dies nicht in der richtigen Weise geschieht, erhöhen das Risiko.

Bandscheibenvorfall

Die feste Hülle der Bandscheibe kann reißen (Ruptur) und Schmerzen verursachen. Die weiche, gallertartige Masse quillt heraus (Vorfall), was verstärkt den Schmerz noch verstärkt. Der Schmerz entsteht durch den Druck, den die Beule auf die benachbarte Spinalnervenwurzel ausübt. Die Nervenwurzel kann sich auch entzünden oder beschädigt werden.

Symptome eines Bandscheibenvorfalls

In vielen Fällen verläuft ein Bandscheibenvorfall, auch wenn er durch ein bildgebendes Verfahren wie einer Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) gut zu sehen ist, symptomfrei, vor allem mit zunehmendem Alter. Doch die Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall können leicht bis quälend sein, Bewegungen verstärken häufig die Schmerzen und die Schmerzen verstärken sich auch beim Husten, Niesen, Pressen oder Vorbeugen.

Wo die Schmerzen auftreten, hängt davon ab, welche Bandscheibe und somit welche Nervenwurzel betroffen ist, z. B. längs der Bahn des gequetschten Nervs. In der Regel führt ein Bandscheibenvorfall im unteren Rückenbereich zu einem Ischiassyndrom mit Schmerzen entlang dem Ischiasnerv an der Rückseite des Beins. Ein Bandscheibenvorfall im Hals verursacht Nackenschmerzen, die oft dem Arm entlang bis zur Hand ausstrahlen. Schmerzen, die an einer Stelle beginnen, aber in eine andere wandern, in der Regel entlang des Nervenwegs, werden als ausstrahlende Schmerzen bezeichnet.

Ein Bandscheibenvorfall kann auch ein Taubheitsgefühl und Muskelschwäche auslösen. Ist der Druck auf die Nervenwurzel hoch, kann das Bein gelähmt sein. Selten übt die Bandscheibe Druck auf das Rückenmark aus, was zu Schwäche oder Lähmung beider Beine führt. Ist die Cauda equina (das Nervenbündel, das über das untere Ende des Rückenmarks hinausgeht) betroffen, gehen möglicherweise Blasen- und Darmkontrolle verloren. Bei derart schweren Symptomen ist sofortige ärztliche Hilfe nötig.

Diagnose eines Bandscheibenvorfalls

  • Bildgebende Verfahren

  • Manchmal elektrodiagnostische Untersuchungen

Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) sind bildgebende Verfahren, die durchgeführt werden, um die Ursache und die Lage eines Bandscheibenvorfalls zu bestimmen. In seltenen Fällen wird ein anderes bildgebendes Verfahren, eine sogenannte CT-Myelographie, durchgeführt, wenn der Arzt weitere Details zum Rückenmark und dem umgebenden Knochen benötigt, als eine MRT oder CT allein liefern kann, oder wenn eine MRT nicht durchgeführt werden kann.

Untersuchungen der Nerven und Muskeln (elektrodiagnostische Untersuchungen), wie etwa Untersuchungen der Nervenleitung und Elektromyographie, können helfen, die betroffene Spinalnervenwurzel zu bestimmen.

Vorbeugung vor einem Bandscheibenvorfall

Es ist nicht immer möglich, einen Bandscheibenvorfall zu verhindern, aber es gibt Möglichkeiten, das Entstehungsrisiko zu senken:

  • Körperliche Aktivität

  • Kräftigung und Dehnung der Muskeln

  • Aufrechterhalten eines gesunden Körpergewichts

  • Gute Körperhaltung

  • Angemessene Methoden zum Aufheben von Gegenständen

Regelmäßige Bewegung ist eine wirksame Methode, um das Risiko eines Bandscheibenvorfalls zu verringern. Ausdauertraining und bestimmte Muskelkräftigungs- und Dehnübungen sind sehr hilfreich.

Ausdauertraining, z. B. Schwimmen und Gehen, verbessert den körperlichen Zustand und stärkt die Muskulatur.

Spezielle Übungen zur Kräftigung der Bauch-, Gesäß- und Rückenmuskulatur (Rumpfmuskulatur) können dazu beitragen, die Wirbelsäule zu stabilisieren und die Belastung der Bandscheiben, welche die Wirbelsäule abfedern, und der Bänder, die sie an Ort und Stelle halten, zu verringern.

Zu den Übungen zur Muskelkräftigung gehören z. B. Beckenkippung und Bauchpresse. Zu den Dehnungsübungen gehört die Beugung des Knies zur Brust. Bei manchen Personen können Dehnübungen Rückenschmerzen verstärken und müssen daher vorsichtig durchgeführt werden. Ganz allgemein gilt, dass man mit einer Übung aufhören sollte, wenn sie zu Schmerzen führt oder diese verschlimmert. Die Übungen sollten so lange wiederholt werden, bis sich die Muskeln leicht ermüden, aber nicht völlig kraftlos anfühlen. Richtiges Atmen während des Trainings ist wichtig. Wer Rückenschmerzen hat, sollte einen Arzt konsultieren, bevor er mit dem Sport beginnt.

Übungen gegen Kreuzschmerzen

Beckenkippung

In Rückenlage die Füße aufstellen, die Fersen stehen auf dem Boden, das Gewicht ruht auf den Fersen. Das Kreuz gegen den Boden drücken, die Gesäßmuskulatur anspannen (dabei das Gesäß leicht [1 cm] vom Boden abheben) und die Bauchmuskulatur anspannen. Diese Position halten und bis 10 zählen. Diese Übung 20-mal wiederholen.

Bauchpresse

In Rückenlage die Füße aufstellen. Die Arme liegen gekreuzt auf der Brust. Die Bauchmuskeln anspannen und die Schultern langsam rund 25 cm vom Boden abheben, wobei der Kopf gerade gehalten wird (das Kinn soll die Brust nicht berühren). Dann die Bauchmuskulatur entspannen und die Schultern langsam wieder senken. Drei Sätze mit je zehn Wiederholungen durchführen.

Dehnung der Gesäßmuskulatur durch Heraufziehen des Knies auf die Brust

Flach auf den Rücken legen. Beide Hände hinter ein Knie legen und das Knie an die Brust ziehen. Halten und bis 10 zählen. Dann das Bein langsam zurückführen und die Übung mit dem anderen Bein wiederholen. Diese Übung 10-mal durchführen.

Sport kann den Menschen auch helfen, das gewünschte Körpergewicht beizubehalten, da Übergewicht den Druck auf die Bandscheibe erhöht.

Eine richtige Körperhaltung beim Stehen, Sitzen und Schlafen verringert die Belastung des Rückens. Ein krummer Rücken sollte vermieden werden. Der Stuhl sollte so hoch sein, dass die Füße flach auf dem Boden stehen, wobei die Knie leicht nach oben weisen, der Lendenwirbelbereich sollte flach an der Rückenlehne anliegen. Wenn der Stuhl den Lendenwirbelbereich nicht stützt, kann die Sitzposition durch ein Keilkissen angepasst werden. Es ist besser, die Füße flach auf den Boden zu stellen, als die Beine zu überkreuzen. Langes Sitzen und Stehen sollten vermieden werden. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, sollte die Position regelmäßig verändert werden, um den Rücken zu entlasten.

Richtiges Heben verhindert Rückenverletzungen. Die Hüften sollten sich unter den Schultergelenken befinden (d. h. nicht nach rechts oder links verdreht). Betroffene mit Lendenwirbelschmerzen sollten sich beim Aufheben von Objekten nicht mit durchgedrückten Beinen und ausgestreckten Armen nach vorn beugen. Stattdessen an der Hüfte einknicken und die Knie beugen. Dadurch bleibt der Rücken gerade und die Ellenbogen liegen seitlich am Körper. Die Last eng am Körper anheben, indem die Beine gestreckt werden. So kommt die Kraft aus den Beinen und nicht aus dem Rücken. Das Anheben einer Last über den Kopf und Drehbewegung mit angehobener Last erhöht das Risiko einer Rückenverletzung.

Behandlung eines Bandscheibenvorfalls

  • Maßnahmen zur Schmerzlinderung

  • Manchmal operative Eingriffe

Da ein Bandscheibenvorfall mit der Zeit zurückgeht, bessern sich die Symptome meist ungeachtet der Behandlung. Die meisten Betroffenen erholen sich ohne Behandlung wieder, normalerweise nach spätestens drei Monaten, meist jedoch viel schneller.

Maßnahmen zur Schmerzlinderung

Kälte- oder Wärmeanwendungen mit Eisbeuteln oder einer Heizdecke und rezeptfreie Schmerzmittel (wie Paracetamol und nichtsteroidale Antirheumatika [NSAR]) können zur Schmerzlinderung beitragen. Wenn die Symptome nicht mit Analgetika gelindert werden, können Kortikosteroide oral verabreicht oder in den Epiduralraum injiziert werden (zwischen der Wirbelsäule und der äußeren Gewebeschicht, die das Rückenmark umgibt). Es ist jedoch umstritten, ob solche Kortikosteroidspritzen von Nutzen sind.

Eine bequeme Schlafposition auf einer Matratze mittlerer Härte wird empfohlen. Rückenschläfer sollten ein Kissen unter die Knie legen. Seitenschläfer sollten ihren Kopf durch ein Kissen in eine gerade Position bringen (nicht nach unten zum Bett oder nach oben zur Decke geneigt). Sie sollten ein weiteres Kissen zwischen die Knie legen und Hüfte und Knie leicht beugen, falls sich dadurch die Rückenschmerzen lindern lassen.

Wenn der Schmerz nachlässt, können Physiotherapie und Übungen für zu Hause die Körperhaltung verbessern und die Rückenmuskulatur stärken und so die Bewegungen des Rückgrats einschränken, durch welche die Nervenwurzeln weiter gereizt oder gequetscht werden. (Siehe auch Vorbeugung.)

Operation

Wenn ein Bandscheibenvorfall zu einem anhaltenden oder chronischen Ischiassyndrom, Schwäche, Gefühllosigkeit oder Kontrollverlust über Blase und Darm führt (Kauda-Syndrom), müssen möglicherweise die hervortretenden Teile der Bandscheibe (Diskektomie) oder Teile des Wirbels (lumbale Laminektomie) operativ entfernt werden. Diese Operation wird unter Vollnarkose durchgeführt. Dies erfordert einen ein- bis zweitägigen Krankenhausaufenthalt. Häufig kann der beschädigte Teil der Bandscheibe in einem mikrochirurgischen Verfahren mit einem kleinen Einschnitt und einer lokalen Spinalanästhesie (die nur einen bestimmten Teil des Körpers betäubt) entfernt werden. Ein Krankenhausaufenthalt ist für diesen Eingriff in der Regel nicht erforderlich. Nach 6 Wochen bis 3 Monaten können die meisten Patienten ihre alltäglichen Aktivitäten wieder aufnehmen. Ein chirurgischer Eingriff führt eher zu einer schnelleren Genesung als eine Behandlung ohne chirurgischen Eingriff. Nach ein bis zwei Jahren weisen die Patienten jedoch mit oder ohne Operation ungefähr denselben Genesungsgrad auf.

Bei 10 bis 20 Prozent der Menschen, die sich aufgrund eines Ischiassyndroms einer Bandscheibenoperation unterziehen, kommt es zu einem weiteren Bandscheibenriss.