Amöbenruhr

(Amöbiasis)

VonChelsea Marie, PhD, University of Virginia;
William A. Petri, Jr, MD, PhD, University of Virginia School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Mai 2024
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Amöbenruhr ist eine Infektion des Dickdarms und manchmal der Leber und anderer Organe, die vom einzelligen Parasiten Entamoeba histolytica, einer Amöbe, ausgelöst wird.

  • Die Amöben können sich direkt von Mensch zu Mensch durch fäkal-orale Übertragung ausbreiten, auch durch oral-analen Kontakt, oder indirekt durch Nahrung oder Wasser.

  • Die Infizierten können keinerlei Symptome oder aber Durchfall, Verstopfung, krampfhafte Bauchschmerzen, Druckempfindlichkeit im Oberbauch und Fieber haben.

  • Ärzte gründen ihre Diagnose auf die Analyse einer Stuhlprobe und, falls nötig, auf andere Tests wie Darmspiegelung oder Ultraschall und Bluttests.

  • Die Infizierten erhalten ein Medikament, das die Amöben tötet, sowie anschließend ein Medikament, das gegen die ruhende Form der Amöben im Dickdarm (Zysten) wirksam ist.

(Siehe auch Überblick über Parasiteninfektionen.)

Amöbenruhr tritt vorzugsweise in Gebieten mit unzureichenden sanitären Einrichtungen auf. Der Parasit kommt weltweit vor, doch die meisten Infektionen werden in bestimmten Gegenden Afrikas, auf dem indischen Subkontinent und in Teilen Mittel- und Südamerikas verzeichnet. In Ländern mit hohen Hygienestandards bei der Nahrungszubereitung und guter Wasserversorgung treten die meisten Fälle bei Einwanderern und Reisenden auf, die aus Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen zurückkehren.

Weltweit kommt es jedes Jahr bei etwa 50 Millionen Menschen zu einer Amöbenruhr, wobei bis zu 73.000 daran sterben.

Die Entamoeba-Art existiert in 2 Formen:

  • Als Parasit in Dauerform (Zyste)

  • Als aktiver Parasit (Trophozoit)

Andere Amöbenarten infizieren Menschen nicht durch den Darm. Sie können das Gehirn (Amöbeninfektion des Gehirns) oder das Auge (Amöbenkeratitis) direkt infizieren.

Übertragung der Amöbenruhr

Die Infektion beginnt mit dem Verschlucken der Zysten. Aus den Zysten schlüpfen Trophozoiten, die sich vermehren und Geschwüre auf der Darmschleimhaut verursachen können. Manchmal breiten sie sich zur Leber oder zu anderen Körperteilen aus. Einige der Trophozoiten bilden Zysten, die zusammen mit den Trophozoiten im Stuhl ausgeschieden werden. Außerhalb des Körpers sterben die empfindlichen Trophozoiten ab. Die zähen Zysten können jedoch wochen- oder monatelang überleben.

Zysten können direkt von Mensch zu Mensch durch fäkal-orale Übertragung übertragen werden, auch durch oral-analen Kontakt.

An Orten mit schlechten hygienischen Bedingungen kann man sich mit der Amöbenruhr indirekt durch die Aufnahme von Nahrungsmitteln oder Wasser, das mit Fäkalien verseucht ist, infizieren. Obst und Gemüse können verseucht sein, wenn sie mit menschlichen Exkrementen gedüngt, mit verunreinigtem Wasser gewaschen oder von einer infizierten Person zubereitet wurden. Amöbenruhr kann auch an Orten mit adäquaten sanitären Einrichtungen vorkommen und sich ausbreiten, wenn infizierte Menschen inkontinent oder die hygienischen Bedingungen schlecht sind (zum Beispiel in Tagesbetreuungszentren oder psychiatrischen Anstalten).

Symptome der Amöbenruhr

Die meisten infizierten Menschen haben wenige oder keine Symptome. Dennoch können sie Zysten ausscheiden und die Infektion dadurch weiter verbreiten.

Die Symptome der Amöbenruhr entwickeln sich typischerweise innerhalb von 1 bis 3 Wochen und können Folgendes umfassen:

  • Durchfall, manchmal mit sichtbarem Blut im Stuhl

  • Krampfartige Bauchschmerzen

  • Gewichtsverlust und Fieber

In schweren Fällen ist der Bauch druckempfindlich und es kommt zu schwerem Durchfall, der mit Schleim und Blut durchsetzt ist (sogenannte Dysenterie oder Ruhr). Einige Betroffene haben schwere, krampfartige Bauchschmerzen und hohes Fieber. Der Durchfall kann zu Dehydratation (Flüssigkeitsmangel) führen. Bei Menschen mit chronischer Infektion kann ein Kräfteverfall des Körpers (Auszehrung) und Anämie auftreten.

Manchmal formen sich große Knoten (Amöbome) im Dickdarm.

Bei manchen Menschen breiten sich die Amöben auf die Leber aus, wo sie einen Abszess verursachen können. Zu den Symptomen gehören Fieber, Schweißausbrüche, Schüttelfrost, Schwäche, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust und Schmerzen oder Beschwerden im rechten Oberbauch oder der Leber.

In seltenen Fällen breiten sich Amöben zu anderen Organen aus (inklusive der Lunge oder des Gehirns). Die Haut kann ebenfalls infiziert sein, besonders im Bereich des Gesäßes (Infektion infolge von kontaminiertem Stuhl) und der Geschlechtsorgane (z. B. Geschwüre am Penis infolge von Analverkehr mit einer infizierten Person) oder bei Wunden, die durch eine Bauchoperation oder -verletzung hervorgerufen wurden.

Diagnose der Amöbenruhr

  • Stuhltests

  • Manchmal Bluttests zur Bestimmung von Antikörpern gegen die Amöben

  • Manchmal Untersuchung einer Gewebeprobe aus dem Dickdarm

Um Amöbenruhr zu diagnostizieren, nimmt der Arzt eine Stuhlprobe zur Analyse. Der beste Ansatz ist, den Stuhl auf ein Protein, das von den Amöben freigesetzt wird, zu untersuchen (Antigentest) oder die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) durchzuführen, um den Stuhl auf Vorhandensein von Erbgut der Amöben zu untersuchen. Die PCR-Methode erzeugt viele Kopien des Erbguts der Amöben, die dadurch leichter identifiziert werden können. Antigen- oder PCR-Tests sind aufschlussreicher als eine mikroskopische Untersuchung von Stuhlproben, die oftmals keine abschließende Beurteilung zulässt. Außerdem kann es sein, dass für die mikroskopische Untersuchung 3 bis 6 Stuhlproben benötigt werden, um die Amöben zu finden, und selbst, wenn sie entdeckt werden, können Entamoeba histolytica nicht von einigen anderen verwandten Amöben unterschieden werden. Entamoeba dispar beispielsweise sieht genau gleich aus, ist aber genetisch anders und verursacht keine Krankheit.

Ein biegsamer Beobachtungsschlauch (Endoskop) kann zur Betrachtung des Dickdarms eingesetzt werden. Wenn dabei Geschwüre oder andere Anzeichen einer Infektion vorgefunden werden, wird über das Endoskop eine Flüssigkeits- oder Gewebeprobe aus dem auffälligen Bereich entnommen.

Wenn sich Amöben außerhalb des Darms (wie beispielsweise in die Leber) ausbreiten, ist es möglich, dass sie nicht mehr im Stuhl vorhanden sind. Ultraschall, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) kann durchgeführt werden, um einen Abszess in der Leber zu bestätigen, aber diese Tests zeigen nicht die Ursache an. Anschließend werden Bluttests durchgeführt, um nach Antikörpern für die Amöben zu suchen. (Antikörper sind Proteine, die vom körpereigenen Immunsystem produziert werden, um dem Körper zu helfen, sich gegen Angreifer wie Parasiten zu verteidigen). Oder wenn Ärzte den Verdacht haben, dass ein Leberabszess durch Amöben verursacht wurde, verordnen sie womöglich ein Medikament, das Amöben abtötet (ein Amöbizid). Wenn sich der Zustand der Person bessert, ist die Diagnose wahrscheinlich Amöbenruhr.

Behandlung von Amöbenruhr

  • Medikamente, die die Amöben abtöten (Tinidazol, Metronidazol, Secnidazol oder Ornidazol)

  • Medikamente, die die ruhende Form (Zysten) der Amöben (Idoquinol, Paromomycin oder Diloxanidfuroat) abtöten

Wenn Amöbenruhr vermutet wird und die Person Symptome hat, wird ein Amöbizid (ein Medikament, das Amöben abtötet) – entweder Metronidazol oder Tinidazol – eingesetzt. Während der Einnahme einer dieser Medikamente sowie mehrere Tage nach deren Absetzen sollte auf Alkoholkonsum verzichtet werden, weil dies zu Übelkeit, Erbrechen, Gesichtsröte und Kopfschmerzen führen könnte. Nitazoxanid ist als Alternative zur Behandlung von Amöbenruhr vorgeschlagen worden.

Weder Metronidazol, Tinidazol, Secnidazol, Ornidazol noch Nitazoxanid töten alle Zysten im Dickdarm ab. Ein weiteres Medikament (z. B. Paromomycin, Diiodhydroxychinolin oder Diloxanidfuroat) wird eingesetzt, um diese Zysten zu vernichten und dadurch Rückfälle zu verhindern. Eines dieser Medikamente kann allein angewendet werden, um Menschen zu behandeln, die keine Symptome haben, dafür aber Entamoeba histolytica im Stuhl. Paromomycin ist während der Schwangerschaft sicher. Diloxanidfuroat ist in den USA nicht im Handel erhältlich, kann aber über einige Apotheken bezogen werden, die das Medikament zubereiten.

Menschen, die ausgetrocknet sind, erhalten Flüssigkeit.

Vorbeugung gegen Amöbenruhr

Um das Risiko für Amöbenruhr zu verringern, sollten die Betroffenen Vorsichtsmaßnahmen bezüglich Nahrung und Wasser befolgen, eine gute Händehygiene praktizieren und den Kontakt mit Stuhl während sexuellen Aktivitäten vermeiden. (Siehe Centers for Disease Control and Prevention: Yellow Book: Amebiasis und Food & Water Precautions.)

Ausschlaggebend für die Vorbeugung gegen Amöbenruhr ist es zu verhindern, dass Nahrungsmittel und Wasser mit menschlichem Kot verunreinigt werden. In diesem Sinne kann die Verbesserung der sanitären Anlagen in Gegenden, wo die Infektion häufig auftritt, hilfreich sein.

Personen, die in Gebiete reisen, wo die Infektion häufig vorkommt, sollten auf ungegarte Lebensmittel wie Salate und Gemüse und auf möglicherweise kontaminiertes Wasser und Eis verzichten. Die Zysten werden durch das Abkochen von Wasser abgetötet. Händewaschen mit Seife und Wasser ist wichtig. Durch das Filtern von Wasser durch einen Filter mit 0,1 oder 0,4 Mikron können Entamoeba histolytica und andere Parasiten sowie Krankheiten verursachende Bakterien aus dem Wasser entfernt werden. Das Auflösen von Jod oder Chlor im Wasser kann ebenfalls helfen. Die Wirksamkeit der Jod- oder Chlorzugabe gegen Entamoeba histolytica hängt aber von vielen Faktoren ab, z. B. davon, wie trüb oder schlammig das Wasser ist (Trübung) und welche Temperatur es hat.

Die Forschung zur Entwicklung eines Impfstoffs wird fortgesetzt, aber bislang gibt es noch keinen.

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Yellow Book: Amöbenruhr

  2. CDC: Yellow Book: Food & Water Precautions

  3. CDC: Parasites - Amebiasis: General Information