Überblick über das Immunsystem

VonPeter J. Delves, PhD, University College London, London, UK
Überprüft/überarbeitet Feb. 2024
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Das Immunsystem ist in der Lage, zwischen „selbst“ und „nicht selbst“ zu unterscheiden und eliminiert potenziell schädliche fremde Moleküle und Zellen aus dem Körper. Darüber hinaus erkennt und zerstört es abnormale Zellen körpereigenen Gewebes. Jede Substanz, die vom Immunsystem erkannt werden kann, wird als Antigen (Ag) bezeichnet.

Die Haut, Hornhaut und Schleimhaut der Atemwege, des Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts bilden eine physische Barriere, die dem Körper als erste Abwehr dient. Einige dieser Barrieren haben auch aktive Immunfunktionen:

  • Die äußeren Keratinozyten der Haut z. B. sezernieren antimikrobielle Peptide (Defensine) und talg- sowie schweißbildende Drüsen sondern Mikroben-hemmende Substanzen ab (z. B. Milchsäure, Fettsäuren). In der Haut finden sich auch verschiedene Zellen des Immunsystems (z. B. Mastzellen, intraepitheliale Lymphozyten, Antigen-präsentierende Langerhans-Zellen).

  • Hornhaut: Tränen enthalten Defensine. Makrophagen und dendritische Zellen befinden sich in der Hornhaut, und andere Immunzellen, einschließlich T-Zellen und phagozytierende Neutrophile, werden während der Infektion durch das limbische Gefäßsystem rekrutiert.

  • Die Schleimhaut der Atemwege sowie des Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts enthält antimikrobielle Substanzen wie Lysozym, Laktoferrin und sekretorische IgA-Antikörper (SIgA).

Das Durchbrechen der anatomischen Barrieren kann zwei unterschiedliche Immunantworten auslösen:

  • Angeboren

  • Erworben

Viele molekulare Komponenten (z. B. Komplement, Zytokine, Akute-Phase-Proteine) sind sowohl an der angeborenen als auch an der erworbenen Immunität beteiligt.

Angeborene Immunität

Angeborene (natürliche) Immunität erfordert keine frühere Exposition mit einem Antigen (d. h. dem immunologischen Gedächtnis), um voll wirksam zu sein. So kann es sofort auf einen Eindringling reagieren. Die angeborene Immunität nutzt Mustererkennungsrezeptoren (Pattern Recognition Receptors, PRRs), um fremde pathogen-assoziierte molekulare Muster (PAMPs) und schädigungsassoziierte molekulare Muster (DAMPs) des Wirts zu erkennen.

Zu den Komponenten gehören

  • Phagozytische Zellen (z. B. Neutrophile, Monozyten, Makrophagen)

  • Polymorphkernige Leukozyten (zusätzlich zu den phagozytierenden Neutrophilen, einschließlich Eosinophilen und Basophilen)

  • Angeborene lymphoide Zellen (z. B. natürliche Killer [NK] -Zellen)

Fresszellen (Neutrophile im Blut und Gewebe, Monozyten im Blut, Makrophagen im Gewebe) nehmen eindringende Antigene auf und zerstören sie. Ein Angriff von Phagozyten wird ermöglicht, wenn Antigene mit Antikörpern (Ak) umhüllt sind, die als Teil der erworbenen Immunität produziert werden oder wenn Komplementproteine die Antigene ummanteln.

Polymorphonukleäre Leukozyten (Neutrophile, Eosinophile, Basophile, Mastzellen) und mononukleäre Zellen (Monozyten, Makrophagen, Mastzellen) setzen Entzündungsmediatoren frei.

Natürliche Killerzellen töten Virus-infizierte Zellen und einige Tumorzellen ab.

Die erworbene Immunität

Die erworbene (adaptive) Immunität erfordert eine vorherige Exposition gegenüber einem Antigen, um voll wirksam zu sein, und braucht Zeit, um sich nach der ersten Begegnung mit einem neuen Eindringling zu entwickeln. Danach ist Antwort schnell. Das Immunsystem merkt sich die letzten Expositionen und reagiert antigenspezifisch.

Zu den Komponenten gehören

  • B-Zellen

  • T-Zellen

Die erworbene Immunität

  • Humorale Immunität: Abgeleitet von B-Zell-Reaktionen (B-Zellen entwickeln sich zu Plasmazellen, die lösliche antigenspezifische Antikörper sezernieren)

  • Zell-vermittelte Immunität: von bestimmten T-Zell-Antworten abgeleitet

B-Zellen und T-Zellen reifen in den primären lymphatischen Geweben heran. Die B-Zellen reifen im Knochenmark, die T-Zellen im Thymus. Reife B-Zellen und T-Zellen arbeiten anschließend zusammen, um Eindringlinge zu vernichten. Gewebebasierte Antigen-präsentierende Zellen werden benötigt, um Antigene für die meisten T-Zell-Typen zu präsentieren.

Immunantwort

Für eine erfolgreiche Immunabwehr sind Aktivierung, Regulierung und Rückbildung der Immunantwort erforderlich.

Aktivierung

Die Zellen des Immunsystems werden aktiviert, wenn ein fremdes Antigen (Ag) von Zelloberflächenrezeptoren erkannt wird. Diese Zelloberflächenrezeptoren können spezifisch sein für

  • Strukturen (pathogenassoziierte molekulare Muster (PAMPs), die mit einer Reihe verschiedener Krankheitserreger assoziiert sind (z. B. Erkennung durch Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) wie Toll-like-, Mannose- und Scavenger-Rezeptoren auf dendritischen und anderen Zellen)

  • Strukturen, die spezifisch mit bestimmten Krankheitserregern assoziiert sind (Erkennung durch Transmembran-Antikörper, die auf B-Zellen exprimiert werden, oder durch T-Zell-Rezeptoren, die auf T-Zellen exprimiert werden)

Grob spezifische Rezeptoren erkennen allgemeine mikrobielle pathogen-assoziierte molekulare Muster, wie gramnegative Lipopolysaccharide, grampositive Peptidoglykene bakterielle Flagellin nicht methylierten Zytosin-Guanosin-Dinukleotide (CpG-Motive) und virale doppelsträngige RNA. Diese Rezeptoren können auch Moleküle erkennen, die von gestressten oder infizierten menschlichen Zellen produziert werden.

Eine Aktivierung findet auch statt, wenn Antikörper-Antigen und Komplement-Mikroorganismus-Komplexe sich an Oberflächenrezeptoren für den Fc-Bereich (Fc = kristallisierbares Fragment) von IgG (Fc-gamma R) sowie an C3b und iC3b binden.

Sobald ein Antigen, ein Antigen-Antikörper-Komplex oder ein Komplement-Mikroorganismus-Komplex erkannt wurde, wird er phagozytiert. Die meisten Mikroorganismen werden abgetötet, nachdem sie phagozytiert worden sind, aber andere hemmen die intrazelluläre Abtötungsfähigkeit der Phagozyten (z. B. Mykobakterien, die von einem Makrophagen verschlungen wurden, hemmen die Abtötungsfähigkeit der Zelle). Zytokine, die von T-Zellen abstammen, insb. Interferon-gamma (IFN-gamma), stimulieren in solchen Fällen den Phagozyten zur vermehrten Produktion lytischer Enzyme und anderer mikrobenabtötender Produkte und erhöhen dadurch die Fähigkeit, Mikroorganismen zu zerstören oder abzukapseln.

Sofern das Antigen nicht rasch phagozytiert und vollständig abgebaut wird (was selten vorkommt), wird die erworbene Immunantwort durch die Erkennung des Antigens durch die hochspezifischen Rezeptoren auf der Oberfläche der B- und T-Zellen ausgelöst. Diese Immunantwort beginnt in den sekundären lymphatischen Geweben:

  • Milz bei zirkulierendem Antigen

  • Regionale Lymphknoten bei Gewebe-Aantigen

  • Schleimhautassoziiertes lymphatisches Gewebe (z. B. Tonsillen, Adenoide, Peyer-Plaques) für Schleimhaut-Antigen

Langerhans'sche dendritische Zellen in der Haut zum Beispiel phagozytieren Antigene und wandern zu den lokalen Lymphknoten. In den Lymphknoten werden von dem Antigen abgeleitete Peptide auf der Oberfläche von dendritischen Zellen innerhalb der Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) -Moleküle der Klasse II exprimiert, die das Peptid den CD4-Helfer-T-Zellen (Th-Zellen) präsentieren. Nach der Bindung des MHC-peptischen Komplexes an die Th-Zelle, erhält sie verschiedene kostimulierende Signale (die durch einige immunsuppressive Medikamente gehemmt werden können), bildet die Rezeptoren für das Zytokin Interleukin-2 und sezerniert verschiedene Zytokine. Jede Teilmenge Th-Zellen sondert verschiedene Kombinationen von Substanzen ab und bewirkt damit unterschiedliche Immunantworten.

Einige der Th-Zellen spezialisieren sich als T-Follikel-Helferzellen (Tfh), die in die B-Zell-Bereiche des sekundären lymphatischen Gewebes einwandern. Während einer aktiven Immunreaktion entwickeln sich innerhalb des sekundären lymphatischen Gewebes Strukturen, die als Keimzentren bezeichnet werden und in denen die Tfh-Zellen an der B-Zell-Aktivierung, der Proliferation, dem Wechsel der Antikörperklasse, der Affinitätsreifung der Antikörperreaktion und der Differenzierung der B-Zellen in Gedächtnis-B-Zellen und in die Vorläufer der Antikörper-sezernierenden Plasmazellen beteiligt sind. Ebenfalls in den Keimzentren befinden sich follikuläre dendritische Zellen (ein völlig anderer Zelltyp als herkömmliche dendritische Zellen), die den B-Zellen intakte Antigene (in Form von Antigen-Antikörper-Komplexen) präsentieren.

Klasse-II-MHC-Moleküle geben typischerweise Peptide, die von extrazellulären (exogenen) Antigenen (z. B. von vielen Bakterien) stammen an CD4-Th-Zellen ab. Im Gegensatz dazu geben Klasse I-MHC-Moleküle typischerweise Peptide, die von intrazellulären (endogene) Antigenen (z. B. von Viren) an CD8 zytotoxischen T-Zellen. Daraufhin vernichtet die aktivierte zytotoxische T-Zelle die infizierten Zelle.

Regulierung

Die Immunantwort muss reguliert werden, um eine überwältigende Schädigung des Wirtes zu verhindern (z. B. Anaphylaxie, Zytokinsturm, Zytokin-Release-Syndrom und weit verbreitete Gewebezerstörung). Durch die Sekretion immunsuppressiver Zytokine wie Interleukin-10 und transformierenden Wachstumsfaktor-beta (TGF-beta) oder auch durch zellkontaktabhängige Mechanismen greifen Regulator-T-Zellen (von denen die meisten den Foxp3-Transkriptionsfaktor exprimieren) helfend in die Kontrolle der Immunantwort ein.

Diese regulatorischen Zellen helfen, Autoimmunreaktionen zu verhindern und sind wahrscheinlich auch bei der Rückbildung laufender Reaktionen auf körperfremdes Antigen beteiligt.

Rückbildung

Die Immunantwort ist beendet, wenn das Antigen sequestriert oder aus dem Körper eliminiert ist. Ohne Stimulation durch ein Antigen hört die Zytokinsekretion auf, und aktivierte zytotoxische T-Zellen unterziehen sich einer Apoptose. Diese markiert die Zellen für sofortige Phagozytose, wodurch die Ausschüttung des Zellinhalts mit Ausbildung einer Entzündungsreaktion verhindert wird. T- und B-Zellen, die sich zu Gedächtniszellen differenziert haben, bleibt dieses Schicksal erspart.

Geriatrics Essentials: Immune System

Mit zunehmendem Alter wird das Immunsystem auf folgende Weise weniger wirksam:

  • Das Immunsystem ist weniger in der Lage, sich von sich selbst zu unterscheiden, was die Entwicklung von Autoantikörpern und Autoimmunerkrankungen häufiger macht.

  • Makrophagen zerstören Bakterien, Krebszellen und andere Antigene langsamer, was möglicherweise zur erhöhten Inzidenz von Krebs bei älteren Menschen beiträgt.

  • T-Zellen reagieren weniger schnell auf Antigene.

  • Es gibt weniger Lymphozyten, die auf neue Antigene reagieren können.

  • Die älter werdende Körper produziert als Reaktion auf bakterielle Infektionen weniger Komplemente.

  • Obwohl die Gesamtkonzentration der Antikörper nicht signifikant abnimmt, ist die Bindungsaffinität von Antikörper zu Antigen vermindert, was möglicherweise zur erhöhten Inzidenz von Lungenentzündung, Grippe, infektiöser Endokarditis und Tetanus und dem erhöhten Risiko des Todes aufgrund dieser Erkrankungen bei älteren Menschen beiträgt. Diese Veränderungen können auch teilweise erklären, warum Impfstoffe bei älteren Menschen weniger wirksam sind.