Primär biliäre Cholangitis (PBC)

(Primäre biliäre Zirrhose)

VonTae Hoon Lee, MD, Icahn School of Medicine at Mount Sinai
Überprüft/überarbeitet Jan. 2024
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Die primäre biliäre Cholangitis (PBC; früher bekannt als primäre biliäre Zirrhose) ist eine Autoimmunerkrankung der Leber, die durch die fortschreitende Zerstörung intrahepatischer Gallengänge gekennzeichnet ist, die zu Cholestase, Zirrhose und letztlich einem Leberversagen führen kann. Die Patienten sind entweder asymptomatisch oder es treten Müdigkeit oder Symptome der Cholestase (wie z. B. Juckreiz, Steatorrhö) oder der Zirrhose (wie z. B. portale Hypertonie, Aszites) auf. Die Laboruntersuchungen zeigen eine Cholestase, ein erhöhtes IgM und für die primär biliäre Zirrhose charakteristische antimitochondriale Antikörper im Serum. Zur Diagnose und zur Stadieneinteilung der Erkrankung kann eine Leberbiopsie sinnvoll sein. Die Behandlung besteht aus Ursodeoxycholsäure, Obeticholsäure, Bezafibrate, Cholestyramin (gegen den Juckreiz), Ersatz fettlöslicher Vitamine und schließlich einer Lebertransplantation im Endstadium.

Ätiologie der primären biliären Cholangitis

Die primäre biliäre Cholangitis (PBC) ist die häufigste Lebererkrankung mit chronischer Cholestase bei Erwachsenen. In den meisten Fällen (95%) sind Frauen im Alter von 35–70 Jahren betroffen. Die PBC tritt familiär gehäuft auf. Eine genetische Prädisposition, vielleicht unter Beteiligung des X-Chromosoms, ist wahrscheinlich. Es kann sich um eine erbliche Anomalie der Immunregulation handeln.

Autoimmune Mechanismen werden angenommen, da Antikörper gegen ein Antigen der inneren Mitochondrienmembran in > 95% der Fälle auftreten. Allerdings sind diese anti-mitochondrialen Antikörper (AMA), die serologischen Kennzeichen einer PBC, nicht zytotoxisch und nicht an der Zerstörung der Gallenepithelien beteiligt.

PBC ist mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert, wie z. B. systemische Sklerose, Sjögren-Syndrom, CREST-Syndrom (auch bekannt als begrenzte Sklerodermie) und autoimmune Thyreoiditis.

T-Zellen greifen die kleinen Gallengänge an. Das Ziel der CD4- und CD8-T-Lymphozyten sind die biliären Epithelzellen. Der Auslöser für den immunologischen Angriff auf die Gallengänge ist unbekannt. Der Kontakt mit einem fremden Antigen, wie z. B. mit einem infektiösen (bakteriell oder viral) oder toxischen Agens, kann das auslösende Ereignis darstellen. Diese fremden Antigene könnten strukturell endogenen Proteinen ähneln (molekulares Mimikry); die daraus resultierende immunologische Reaktion wäre dann autoimmun und selbstunterhaltend. Die Zerstörung und der Verlust der Gallenwege führen zu einer beeinträchtigten Gallebildung und Sekretion (Cholestase). Retinierte toxische Substanzen wie Gallensäuren verursachen dann weitere Schäden, insbesondere an den Hepatozyten. Die chronische Cholestase führt somit zur Leber- Entzündung und Narbenbildung in den Periportalfeldern. Beim Progress der Fiborse zur Zirrhose nimmt die Entzündung schliesslich ab.

Die AMA-negative PBC ist durch Autoantikörper wie antinukleäre Antikörper (ANA), Antikörper gegen die glatte Muskulatur oder beides gekennzeichnet und hat einen klinischen Verlauf und ein Ansprechen auf die Behandlung, die denen der PBC ähneln. AMA sind jedoch nicht vorhanden.

Symptome und Anzeichen der primären biliären Cholangitis

Über die Hälfte der Patienten ist symptomlos. Symptome können in jedem Stadium der Erkrankung auftreten, sie bestehen in allgemeiner Müdigkeit oder sind Ausdruck der Cholestase (und der resultierenden Fettmalabsorption, die Vitaminmangelzustände und Osteoporose verursacht), einer Leberfunktionsstörung oder einer Zirrhose.

Die Symptome entwickeln sich meist schleichend. Juckreiz, Müdigkeit sowie Mund- und Augentrockenheit sind initiale Symptome bei > 50% der Patienten und können weiteren Symptomen Monate und Jahre vorausgehen. Andere initiale Manifestationen sind Unwohlsein im rechten oberen Quadranten (10%), eine vergrößerte, harte, nicht druckschmerzhafte Leber (25%), Splenomegalie (15%), Hyperpigmentation (25%), Xanthelasmen (10%) und Gelbsucht (10%). Letztlich treten alle Befunde und Komplikationen der Zirrhose auf. Es können sich auch periphere Neuropathien und andere Autoimmunerkrankungen entwickeln, die mit der primär biliären Cholangitis in Zusammenhang stehen.

Diagnose der primären biliären Cholangitis

  • Leberbluttests: Cholestase mit erhöhter alkalischer Phosphatase

  • Positivität von antimitochondrialen Antikörpern (AMA) oder PBC-spezifischen Autoantikörpern (z. B. sp100 oder gp210)

  • Leberbiopsie: nicht-suppurative destruktive Cholangitis und Zerstörung der interlobulären Gallengänge

Die Diagnose wird bestätigt, wenn 2 der 3 oben genannten Kriterien erfüllt sind (1).

Bei asymptomatischen Patienten wird primäre biliäre Cholangitis zufällig festgestellt, wenn sich auffällige Lebertests, typischerweise eine Erhöhung von alkalischer Phosphatase und Gamma-Glutamyltransferase (GGT), zeigen. Der Verdacht auf PBC besteht bei Frauen mittleren Alters mit klassischen Symptomen (z. B. unerklärlicher Juckreiz, Müdigkeit, Beschwerden im rechten oberen Quadranten, Gelbsucht) oder Laborergebnissen, die auf eine cholestatische Lebererkrankung hindeuten: erhöhte alkalische Phosphatase (in der Regel höher als das 1,5-fache des Normalbereichs) und GGT, aber minimal abnorme Aminotransferasen (Alanin-Aminotransferase [ALT], Aspartat-Aminotransferase [AST], in der Regel weniger als das 5-Fache des Normalbereichs). In Frühstadien liegt das Serumbilirubin in der Regel im Normbereich; eine Bilirubinerhöhung weist auf eine Krankheitsprogression und Verschlechterung der Prognose hin.

Wenn der Verdacht auf eine PBC besteht, sollten Lebertests, Serum-IgM (erhöht bei PBC) und AMA bestimmt werden. ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay)-Tests sind zu 95% sensitiv und zu 98% spezifisch für PBC; falsch-positive Ergebnisse können bei autoimmuner Hepatitis (Typ 1) auftreten. Weitere Autoantikörper (z. B. antinukleäre Antikörper, Antikörper gegen glatte Muskulatur, Rheumafaktor) können nachweisbar sein. Eine extrahepatische Gallengangsobstruktion sollte ausgeschlossen werden. Die Ultraschalluntersuchung wird häufig zuerst durchgeführt, aber letztendlich ist eine Magnetresonanz-Cholangiopankreatographie (MRCP) und manchmal eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie (ERCP) erforderlich.

Zur Bestätigung einer AMA-negativen PBC ist eine Leberbiopsie erforderlich. Eine Leberbiopsie hilft, andere cholestatische Diagnosen auszuschließen (medikamenteninduzierte Lebererkrankung, Sarkoidose, PBC, biliäre Obstruktion, Autoimmunhepatitis) oder es besteht der Verdacht auf koexistierende Lebererkrankungen (Autoimmunhepatitis oder nichtalkoholische Steatohepatitis). Die Leberbiopsie kann pathognomonische Gallengangsläsionen erkennen, sogar in frühen Stadien. Wenn die PBC fortschreitet, ist sie morphologisch von anderen Formen der Zirrhose nicht mehr zu unterscheiden. Die Leberbiopsie hilft auch bei der Einstufung der PBC, insbesondere zur Bestätigung des Vorliegens einer Leberzirrhose.

Einige PBC-Patienten weisen Überschneidungen mit einer Autoimmunhepatitis auf (ALT mehr als das Fünffache des Normalbereichs, IgG mehr als das Zweifache des Normalbereichs, positive Anti-Glattmuskel-Antikörper und mäßige bis schwere Schnittstellenhepatitis in der Leberbiopsie).

Diagnosehinweis

  1. 1. Lindor KD, Bowlus CL, Boyer J, et al: Primary biliary cholangitis: 2018 Practice guidance from the American Association for the Study of Liver Diseases. Hepatology. 69(1):394-419, 2019. doi: 10.1002/hep.30145

Behandlung der primären biliären Cholangitis

  • Stabilisierung oder Rückbildung der Leberschädigungen

  • Behandlung von Komplikationen (chronische Cholestase und Leberversagen)

  • Ggf. Lebertransplantation

Jegliche Alkoholzufuhr und potenziell hepatotoxische Medikamente sollten vermieden werden. Ursodeoxycholsäure vermindert den Leberschaden, verlängert die Überlebenszeit und das Zeitintervall bis zur Notwendigkeit einer Lebertransplantation (1). Etwa 40% der Patienten haben danach keine biochemische Verbesserung 12 Monate (alkalische Phosphatase weniger als das 1,5- bis 2-Fache des Normalbereichs und Normalisierung des gesamten Bilirubins); sie können eine fortgeschrittene Erkrankung haben und eine Lebertransplantation in wenigen Jahren erfordern. Obeticholsäure wird zusätzlich zu Ursodeoxycholsäure bei Patienten eingesetzt, die nicht ausreichend auf Ursodeoxycholsäure ansprechen, oder als einziges Mittel bei Patienten, die Ursodeoxycholsäure nicht vertragen. Bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose, einem früheren Dekompensationsereignis oder kompensierter Zirrhose mit Anzeichen einer portalen Hypertension ist Obeticholsäure kontraindiziert, da sie Leberversagen verursachen kann.

Bei Patienten, die nicht ausreichend auf Ursodeoxycholsäure ansprechen und keinen Zugang zu Obeticholsäure haben, kann Bezafibrat in Kombination mit Ursodeoxycholsäure verwendet werden. Die Zugabe von Bezafibrat zu Ursodeoxycholsäure wurde in einer randomisierten Phase-3-Studie bei Patienten untersucht, die auf Ursodeoxycholsäure allein nicht ausreichend ansprachen (2). Diese Kombination zeigte eine höhere Rate an vollständigem biochemischem Ansprechen als die alleinige Behandlung mit Ursodesoxycholsäure. Außerdem zeigte eine retrospektive Studie eine verbesserte Überlebensrate bei Patienten, die Ursodeoxycholsäure in Kombination mit Bezafibrat erhielten, im Vergleich zu Patienten, die nur Ursodeoxycholsäure erhielten (3). Bezafibrat ist jedoch in den Vereinigten Staaten nicht erhältlich. Fenofibrat, eine andere Art von Fibrat, die in den Vereinigten Staaten erhältlich ist, wurde in dieser Bevölkerungsgruppe nicht so gut untersucht, wird aber dennoch verwendet, da es nur wenige andere Medikamente gibt. Fibrate können erhöhte Aminotransferasen und eine Verschlechterung der Nierenfunktion verursachen, die überwacht werden sollten. Auch Fibrate sollten bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose vermieden werden.

Pruritus kann mit Cholestyramin 4 bis 16 g/Tag kontrolliert werden. Dieses Medikament bindet Gallensäuren und kann somit die Fettmalabsorption verstärken. Wenn Cholestyramin langfristig eingenommen wird, sollte eine Ergänzung von fettlöslichen Vitaminen erwogen werden. Cholestyramin kann die Resorption von Ursodeoxycholsäure reduzieren, weshalb diese Arzneimittel nicht gleichzeitig gegeben werden sollten. Cholestyramin kann auch die Resorption verschiedener Arzneimittel reduzieren; wenn Patienten ein Arzneimittel, das betroffen sein könnte, einnehmen, sollten sie darauf hingewiesen werden, das Arzneimittel nicht innerhalb von 1 Stunde vor oder 4 Stunden nach der Einnahme von Cholestyramin einzunehmen. Juckreiz kann eine der häufigsten Nebenwirkungen von Obeticholsäure sein und zum Abbruch der Behandlung führen.

Einige Patienten mit Pruritus sprechen auf Ursodeoxycholsäure und UV-Licht an; bei anderen kann ein Versuch mit Rifampicin, Naltrexon, Sertralin, Phenobarbital oder Antihistaminikum erforderlich sein.

Patienten mit Fettmalabsorption aufgrund eines Mangels an Gallensalz sollten mit Vitamin-A-, -D-, -E- und -K-Ergänzungen behandelt werden. Bei Osteoporose können zusätzlich zu Kalzium- und Vitamin-D-Präparaten gewichtstragende Übungen, Bisphosphonate oder Raloxifen erforderlich sein. In späteren Stadien bedürfen die portale Hypertonie oder Komplikationen der Zirrhose einer Behandlung.

Die Lebertransplantation bei der PBC zeigt hervorragende Ergebnisse. Zu den allgemeinen Indikation zählt die dekompensierte Leberkrankheit (unkontrollierbare Varizenblutungen, therapierefraktärer Aszites, nicht behandelbarer Pruritus und die hepatische Enzephalopathie). Eine retrospektive Langzeitstudie mit 785 Patienten in Nordamerika und Europa, die sich wegen PBC einer Lebertransplantation unterzogen hatten, ergab Überlebensraten von 90% nach 5 Jahren, 81% nach 10 Jahren, 70% nach 15 Jahren und 53% nach 20 Jahren (4). Antimitochondriale Antikörper neigen dazu, nach der Transplantation zu persistieren. Die primäre biliäre Cholangitis rezidiviert bei 15% der Patienten in den ersten Jahren und bei > 30% innerhalb von 10 Jahren. Die rezidivierende PBC nach Lebertransplantation scheint einen gutartigen Verlauf zu haben. Eine Zirrhose tritt selten auf.

AMA-negative PBC spricht ähnlich gut auf Ursodeoxycholsäure an.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Lindor KD, Bowlus CL, Boyer J, et al: Primary biliary cholangitis: 2018 Practice guidance from the American Association for the Study of Liver Diseases. Hepatology 69(1):394-419, 2019. doi: 10.1002/hep.30145

  2. 2. Corpechot C, Chazouillères O, Rousseau A, et al: A placebo-controlled trial of bezafibrate in primary biliary cholangitis. N Engl J Med 378(23):2171-2181, 2018. doi: 10.1056/NEJMoa1714519

  3. 3. Tanaka A, Hirohara J, Nakano T, et al: Association of bezafibrate with transplant-free survival in patients with primary biliary cholangitis. J Hepatol 75(3):565-571, 2021. doi: 10.1016/j.jhep.2021.04.010

  4. 4. Montano-Loza AJ, Hansen BE, Corpechot C, et al: Factors associated with recurrence of primary biliary cholangitis after liver transplantation and effects on graft and patient survival. Gastroenterology 156(1):96-107.e1, 2019. doi: 10.1053/j.gastro.2018.10.001. Epub 2018 Oct 6. Erratum in: Gastroenterology 158(1):288, 2020

Prognose der primären biliären Cholangitis

Die Progressionsrate der PBC ist sehr unterschiedlich, meist schreitet sie zu Terminalstadien in 15–20 Jahren fort. Die Lebensqualität muss sich bei PBC über viele Jahre nicht verschlechtern. Zunächst symptomlose Patienten können Symptome über 2–7, aber auch erst über 10–15 Jahre entwickeln. Beim Auftreten von Symptomen beträgt die mediane Lebenserwartung 10 Jahre. Prädiktoren für ein schnelles Fortschreiten der Erkrankung sind:

  • schnelle Verschlechterung der Symptome

  • fortgeschrittenes histologisches Stadium

  • höheres Patientenalter

  • Vorliegen von Ödemen

  • Bestehen von assoziierten Autoimmunerkrankungen

  • Anomalien bei Bilirubin, Albumin, Prothrombinzeit oder International Normalized Ratio (INR)

Die Prognose wird beunruhigend, wenn der Juckreiz verschwindet, die Xanthome schrumpfen, sich Gelbsucht entwickelt und das Serumcholesterin abnimmt.

Wichtige Punkte

  • Die primäre biliäre Cholangitis ist eine chronische progressive cholestatische Lebererkrankung, die durch eine Autoimmunreaktion in den kleinen Gallenwegen verursacht wird und fast ausschließlich bei Frauen im Alter von 35–70 Jahren auftritt.

  • Die PBC schreitet meist zum Terminalstadium in 15–20 Jahren fort.

  • Verdacht auf PBC besteht bei Patienten mit ungeklärter erhöhter alkalischer Phosphatase und Gamma-Glutamyltranspeptidase bei nur gering erhöhten Transaminasen, insbesondere bei konstitutionellen Symptomen oder Manifestationen einer Cholestase (z. B. Pruritus, Osteoporose, Vitamin-D-Mangel).

  • IgM und antimitochondriale Antikörper werden bestimmt sowie eine Bildgebung (zum Ausschluss einer extrahepatischen Gallengangsobstruktion) durchgeführt. Ziehen Sie eine Leberbiopsie in Betracht.

  • Die Einnahme von Hepatotoxinen (einschließlich Alkohol) muss gestoppt werden, und die Behandlung erfolgt mit Ursodeoxycholsäure, was eine Transplantation hinauszögern kann. Obeticholsäure ist die Behandlung der zweiten Wahl. Fibrat kann der Ursodesoxycholsäure zugesetzt werden. Obeticholsäure und Fibrat sollten bei dekompensierter Zirrhose vermieden werden.

  • Eine Indikation zur Transplantation besteht bei dekompensierter Leberkrankheit (unkontrollierbare Varizenblutungen, therapierefraktärer Aszites, nicht behandelbarer Pruritus, hepatische Enzephalopathie).