Arzneimittelassoziierte Probleme bei Älteren

VonJ. Mark Ruscin, PharmD, FCCP, BCPS, Southern Illinois University Edwardsville School of Pharmacy;
Sunny A. Linnebur, PharmD, BCPS, BCGP, Skaggs School of Pharmacy and Pharmaceutical Sciences, University of Colorado
Überprüft/überarbeitet Juli 2021
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Arzneimittelbedingte Probleme sind bei älteren Erwachsenen häufig und umfassen Arzneimittelunwirksamkeit, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Überdosierung, Unterdosierung, unangemessene Behandlung, unzureichende Überwachung, Nichteinhaltung und Arzneimittelwechselwirkungen. (Siehe auch Überblick über die medikamentöse Therapie bei älteren Erwachsenen.)

Arzneimittel können bei älteren Menschen unwirksam sein, weil Ärzte zu gering dosieren (z. B. aufgrund von verstärkten Bedenken hinsichtlich unerwünschter Wirkungen) oder weil die Compliance schlecht ist (z. B. aufgrund von finanziellen oder kognitiven Einschränkungen).

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind Wirkungen, die unerwünscht, unangenehm oder gefährlich sind. Gängige Beispiele sind Übersedierung, Verwirrtheit, Halluzinationen, Stürze und Blutungen. Bei nichtbettlägerigen Menschen 65 Jahre treten unerwünschte Arzneimittelwirkungen mit einer Häufigkeitvon etwa 50 Ereignissen pro 1000 Personenjahre auf. Die Hospitalisierungsraten aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen sind 4-mal höher bei älteren (ca. 17%) als bei jüngeren Patienten (4%). Und 66% dieser Krankenhauseinweisungen bei älteren Patienten sind auf 4 Medikamente oder Medikamentenklassen zurückzuführen - Warfarin, Insulin, orale Thrombozytenaggregationshemmer und orale Antidiabetika.

Gründe für arzneimittelassoziierte Probleme

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können bei jedem Patienten auftreten, allerdings sind ältere Menschen aufgrund bestimmter Merkmale anfälliger. Ältere Menschen nehmen z. B. häufig mehrere Medikamente ein und weisen altersbedingte Veränderungen von Pharmakodynamik und Pharmakokinetik auf; beides erhöht das Nebenwirkungsrisiko.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können in jedem Alter auftreten, auch wenn die Medikamente verschrieben und richtig eingenommen wurden; neu auftretende allergische Reaktionen sind z. B. nicht vorhersehbar oder vermeidbar. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass unerwünschte Wirkungen in mindestens 25% der Fälle bei älteren Erwachsenen vermeidbar sind. Bestimmte Wirkstoffklassen sind häufig beteiligt: Antipsychotika, Warfarin, Thrombozytenaggregationshemmer, blutzuckersenkende Medikamente, Insulin, Antidepressiva und sedative Hypnotika.

Bei älteren Patienten sind eine Reihe von gängigen Ursachen für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, für Unwirksamkeit oder beides vermeidbar (siehe Tabelle Vermeidbare Ursachen von arzneimittelassoziierten Problemen). Eine der Hauptursachen ist die unzureichende Kommunikation mit den Patienten oder zwischen den Angehörigen der Gesundheitsberufe (insbesondere bei Übergängen in der Gesundheitsversorgung). Viele medikamentenbedingte Probleme könnten vermieden werden, wenn bei der Aufnahme oder Entlassung von Patienten aus dem Krankenhaus oder bei anderen Übergängen in der Pflege (Verlegung von Pflegeheim zu Krankenhaus oder von einer qualifizierten Pflegeeinrichtung zu einem Heim) der Arzneimittelabstimmung größere Aufmerksamkeit geschenkt würde (1-3).

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Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Erkrankungen

Ein Medikament, das gegeben wird, um eine Krankheit zu behandeln, kann unabhängig vom Alter des Patienten eine andere Krankheit verschlimmern; solche Interaktionen sind bei älteren Menschen allerdings von besonderer Bedeutung. Es ist schwierig, oftmals kaum merkliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen von Auswirkungen der Krankheit zu unterscheiden (siehe Tabelle Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Erkrankungen bei Älteren), und dies kann zu einer Verschreibungskaskade führen.

Eine Verschreibungskaskade ergibt sich, wenn die unerwünschte Wirkung eines Arzneimittels als Symptom oder Anzeichen einer neuen Erkrankung fehlinterpretiert und ein neues Medikament verschrieben wird, um sie zu behandeln. Das neue, überflüssige Medikament kann zusätzliche unerwünschte Wirkungen hervorrufen, die ihrerseits als weitere neue Krankheit fehlinterpretiert und unnötig behandelt werden könnten etc.

Viele Medikamente haben Nebenwirkungen, die Krankheitssymptomen, die häufig bei älteren Menschen vorkommen, oder altersbedingten Veränderungen ähneln. Im Folgenden werden Beispiele gegeben:

  • Antipsychotika können Symptome verursachen, die M. Parkinson ähneln. Bei älteren Erwachsenen können diese Symptome als M. Parkinson diagnostiziert und mit dopaminergen Medikamenten behandelt werden, was möglicherweise zu unerwünschten Wirkungen der Antiparkinson-Medikamente (z. B. orthostatische Hypotonie, Delir, Halluzinationen, Überkeit) führt.

  • Cholinesterasehemmer (z. B. Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) können Patienten mit Demenz verschrieben werden. Diese Medikamente können Diarrhö oder Harnfrequenz oder Dranginkontinenz verursachen. Den Patienten kann dann ein Anticholinergikum (z. B. Oxybutynin) gegen die neu auftretenden Symptome verordnet werden. Somit wird ein unnötiges Medikament hinzugenommen und das Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Arzneimittelinteraktionen erhöht. Eine bessere Strategie besteht darin, die Dosis des Cholinesterasehemmers zu reduzieren oder eine andere Demenzbehandlung mit einem anderen Wirkmechanismus (z. B. Memantin) in Betracht zu ziehen.

  • Kalziumantagonisten (z. B. Amlodipin, Nifedipin, Felodipin) können Patienten mit Hypertonie verschrieben werden. Diese Medikamente können die Hypertonie angemessen behandeln, aber sie können auch periphere Ödeme verursachen. Den Patienten kann dann eine harntreibende Therapie (z. B. Furosemid) verschrieben werden, die wiederum eine Hypokaliämie verursachen kann, die eine Kaliumergänzung erforderlich macht. Eine bessere Strategie ist es, die Dosis zu reduzieren oder den Kalziumkanalblocker zugunsten anderer blutdrucksenkender Medikamente wie Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker abzusetzen.

Bei älteren Patienten sollten die verordnenden Ärzte immer im Auge behalten, dass ein neues Symptom oder Zeichen möglicherweise auf der bestehenden Pharmakotherapie beruht.

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Arzneimittelinteraktionen

Da ältere Menschen oft viele Medikamente einnhemen, sind sie besonders anfällig für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Ältere Menschen verwenden auch häufig Heilkräuter und andere Nahrungsergänzungsmittel, ohne dies ihrem Gesundheitsdienstleister zu sagen. Heilkräuter können mit verordneten Medikamenten interagieren und zu unerwünschten Wirkungen führen. Ginkgo-biloba-Extrakt in Verbindung mit Warfarin kann z. B. das Blutungsrisiko erhöhen und Johanniskraut in Verbindung mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) das Risiko eines serotonergen Syndroms. Daher sollten die Ärzte die Patienten gezielt nach Nahrungsergänzungsmitteln, inkl. Heilkräuter und Vitaminpräparate, fragen.

Arzneimittelinteraktionen bei älteren Menschen unterscheiden sich wenig von denen in der allgemeinen Bevölkerung. Allerdings kann die Induktion des Cytochrom-P-450 (CYP450)-Metabolismus durch bestimmte Medikamente (z. B. Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin) bei älteren Erwachsene reduziert sein; deshalb kann die Änderung (Steigerung) des Arzneimittelmetabolismus bei älteren Erwachsenen möglicherweise weniger ausgeprägt sein. Zahlreiche andere Arzneimittel hemmen den CYP450-Stoffwechsel und erhöhen damit das Risiko für eine Arzneimitteltoxizität, die vom Ausscheidungsweg abhängt. Da ältere Menschen in der Regel eine größere Anzahl an Arzneimitteln einnehmen, sie sind einem höheren Risiko für multiple, schwer zu prognostizierende CYP450-Interaktionen ausgesetzt. Die gleichzeitige Anwendung von ≥ 1 Medikament mit ähnlichen unerwünschten Wirkungen kann auch das Risiko für oder die Schwere von unerwünschten Wirkungen erhöhen.

Mangelhaftes Monitoring

Das Arzneimittelmonitoring beinhaltet

  • Dokumentation der Indikation für ein neues Medikament

  • Führen einer aktuellen Liste der Medikamente, die der Patienten einnimmt, in der Patientenakte

  • Monitoring der Erreichung der Therapieziele und anderer Reaktionen auf neue Medikamente

  • Monitoring der notwendigen Laboruntersuchungen bzgl. Wirksamkeit oder Nebenwirkungen

  • Periodische Überprüfung, ob die Medikamente weiterhin benötigt werden

Derartige Maßnahmen sind besonders wichtig für ältere Patienten. Eine unzureichende Überwachung, insbesondere nach der Verschreibung neuer Medikamente, erhöht das Risiko der Polypharmazie, der unerwünschten Wirkungen und der Unwirksamkeit. Kriterien, um die Überwachung zu erleichtern, wurden vom Experten-Panel der Health Care Financing Administration als Teil der Prüfkriterien für die Arzneimittelanwendung entwickelt. Die Kriterien beleuchten besonders eine unangemesse Dosierung oder Therapiedauer, Doppelbehandlungen und mögliche Arzneimittelinteraktionen.

Unangemessene Medikamentenauswahl

Ein Medikament ist nicht angemessen, wenn sein potenzieller Schaden größer ist als sein potenzieller Nutzen. Unangemessene Verwendung eines Arzneimittels kann bedeuten

  • Wahl eines ungeeigneten Medikaments, einer falschen Dosis, Dosierungsfrequenz oder Therapiedauer

  • Doppelbehandlungen

  • Nichtbeachtung von Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und geeigneten Indikationen für ein Arzneimittel

  • Geeignete Medikamente, die nach Abklingen eines akuten Zustands fälschlicherweise weiter eingenommen werden (was passieren kann, wenn Patienten von einer Gesundheitseinrichtung in eine andere wechseln und die Indikation nicht neu bewertet wird)

Einige Arzneimittelkassen sind bei Älteren von besonderer Bedeutung. Einige Arzneimittel sind so problematisch, dass sie bei Älteren gänzlich vermieden werden sollten, einige sollten nur in bestimmten Situationen vermiden werden, und andere können aber mit erhöhter Vorsicht verwendet werden. Die Beers-Kriterien der American Geriatrics Society® (siehe Tabelle Potenziell unangemessene Arzneimittel bei älteren Erwachsenen) listen für ältere Menschen mögliche unangemessene Medikamente nach der Arzneimittelklasse auf; weitere ähnliche Listen stehen zur Verfügung (4). Eine Liste einiger alternativer medikamentöser Therapien mit entsprechenden Hinweisen ist ebenfalls verfügbar (5). Ärzte müssen bei jedem Patienten die potenziellen Vorteile und Risiken der Therapie abwägen. Die Kriterien gelten nicht für Patienten am Lebensende, wenn die Entscheidungen über die Arzneimitteltherapie sehr unterschiedlich sind.

Trotz der Verbreitung und Kenntnis der Beers Criteria® der American Geriatrics Society und anderer Kriterien werden älteren Erwachsenen immer noch unangemessene Medikamente verschrieben; in der Regel erhalten etwa 20% der in Gemeinschaftseinrichtungen lebenden älteren Erwachsenen mindestens ein unangemessenes Medikament. Bei solchen Patienten ist das Risiko unerwünschter Wirkungen erhöht. Bei Patienten in Pflegeheim erhöht die unsachgemäße Verwendung auch das Risiko für Hospitalisierung und Tod. In einer Studie unter hospitalisierten Patienten erhielten 27,5% ein nicht angemessenes Medikament.

Einige unangemessene Medikamente (z. B. Diphenhydramin und orale nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente [NSAIDs]) sind im Freiverkehr (OTC) erhältlich; Daher sollten Ärzte gezielt Patienten über die Verwendung von OTC-Medikamenten befragen und mit den Patienten über die möglichen Probleme sprechen, die solche Medikamente verursachen können.

Älteren Erwachsenen werden häufig Medikamente (in der Regel Analgetika, Protonenpumpenhemmer oder Hypnotika) gegen geringfügige Symptome (einschließlich unerwünschter Wirkungen anderer Medikamente) verschrieben, die besser mit nichtpharmakologischen Therapien (z. B. Bewegung, Physiotherapie, Massage, Ernährungsumstellung, kognitive Verhaltenstherapie) oder durch eine Verringerung der Dosis des Medikaments, das unerwünschte Wirkungen verursacht, behandelt werden können. Die Initiierung zusätzlicher Medikamente ist oft nicht angemessen; der Nutzen kann gering und die Kosten erhöht sein, und das neue Arzneimittel kann zu zusätzlicher Toxizität führen.

Um das Problem des unsachgemäßen Medikamentengebrauchs bei älteren Menschen zu lösen, braucht es mehr als nur die Vermeidung einer engeren Auswahl von Medikamenten und die Feststellung der infrage stehenden Medikamentenkategorien. Das gesamte Arzneimittelschema eines Patienten sollte ebenfalls regelmäßig bewertet werden, um den fortgesetzten Bedarf an einem Medikament sowie das Verhältnis von potenziellem Nutzen und Schaden zu bestimmen.

Mangelnde Adhärenz

Die Wirksamkeit von Arzneimitteln wird bei nichtbettlägerigen älteren Menschen oft durch Non-Adhärenz vereitelt. Adhärenz wird von vielen Faktoren beeinflusst, einschließlich Sprachbarrieren, aber nicht vom Alter an sich. Bis zu 50% der älteren Patienten nehmen Arzneimittel nicht vorschriftsmäßig ein, für gewöhnlich wird weniger eingenommen als verschrieben wurde (mangelnde/unzureichende Adhärenz). Die Gründe sind die gleichen wie bei jüngeren Erwachsenen. Darüber hinaus tragen die folgenden Gründe dazu bei:

  • Finanzielle und körperliche Einschränkungen, die den Kauf von Medikamenten erschweren können

  • Kognitive Probleme, die die vorgeschriebene Medikamenteneinnahme schwierig machen

  • Verwendung mehrerer Medikamente (Polypharmazie)

  • Verwendung von Arzneimitteln, die mehrmals am Tag oder in einer bestimmten Art einzunehmen sind

  • Verständnisschwierigkeiten darüber, was ein Medikament bewirken soll (Nutzen) oder wie unerwünschte Wirkungen erkannt oder behandelt werden (Schaden)

Ein Therapieplan mit zu häufiger zu seltener Dosierung, mehreren Medikamenten oder beidem ist möglicherweise für die Patienten zu schwer zu befolgen. Ärzte sollten die Patienten hinsichtlich Gesundheitskenntnissen und der Fähigkeit zur Adhärenz gegenüber einer Medikation beurteilen (z. B. Geschicklichkeit, Kraft in den Händen, Kognition, Sehkraft) und versuchen, ihren Limitierungen Rechnung zu tragen–indem z. B. bereitgestellt oder empfohlen werden: leicht zugängliche Behältnisse, Etiketten und Patienteninformation in großer Schrift, Ausstattung der Behältnisse mit einem Erinnerungsalarm, Bestücken der Behältnisse mit dem täglichen Medikamentenbedarf, Telefonate zur Erinnerung oder Medikationsassistenz. Apotheker und Krankenschwestern können behilflich sein, indem sie älteren Erwachsene bei jeder Begegnung die Verordnungsvorschriften erläutern und mit ihnen durchgehen. Apotheker können ein Problem feststellen, indem sie beachten, ob die Patienten rechtzeitig Folgeverordnungen erhalten oder ob ein Rezept unlogisch oder nicht korrekt erscheint. Viele Apotheken können Nachfüllmuster überwachen und Patienten und/oder Verschreiber kontaktieren, wenn Rezepte nicht in angemessenen Abständen nachgefüllt werden.

Überdosierung

Einem älteren Patienten kann eine zu hohe Dosis eines geeigneten Medikaments verschrieben werden, wenn der Arzt die altersbedingten Veränderungen, die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik beeinflussen, nicht beachtet. Zum Beispiel sollten Dosen von renal geklärten Medikamenten (z. B. Gabapentin, einige antimikrobielle Mittel, Digoxin) bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion angepasst werden.

Auch wenn die erforderlichen Dosen sehr unterschiedlich von Person zu Person sind, sollten Medikamente bei älteren Menschen generell mit der niedrigsten Dosis begonnen werden. Typischerweise sind Anfangsdosen von etwa einem Drittel bis zur Hälfte der üblichen Erwachsenendosis indiziert, wenn ein Medikament einen engen therapeutischen Index hat, wenn ein anderer Zustand durch ein Medikament verschlimmert werden kann und besonders wenn Patienten gebrechlich sind. Die Dosis wird dann solange bis zur gewünschten Wirkung auftritriert, wie dies toleriert wird. Bei Dosiserhöhung sollten die Patienten auf unerwünschte Wirkungen abgeklärt werden, und die Medikamentenspiegel sollten möglichst überwacht werden.

Eine Überdosierung kann auch auftreten, wenn Medikamenteninteraktionen die verfügbare Menge des Wirkstoffs erhöhen oder wenn verschiedene Ärzte ein Medikament verschreiben und nicht wissen, dass ein anderer das gleiche oder ein ähnliches Medikament verschrieben hat (therapeutische Verdopplung).

Unzureichende Kommunikation

Die unzureichende Weitergabe von medizinischen Informationen an Übergängen (von einem Setting zum anderen) verursacht bis zu 50% aller Medikationsfehler und bis zu 20% der unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Krankenhaus. Wenn Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden, kann es vorkommen, dass Medikamente, die erst im Krankenhaus begonnen und benötigt wurden (z. B. sedierende Hypnotika, Abführmittel, Protonenpumpenhemmer), vom entlassenden Arzt unnötigerweise weiter verschrieben werden. Dies kann auf Unachtsamkeit, Zeitmangel oder mangelnde Fähigkeit zur Kommunikation mit dem behandelnden Arzt zurückzuführen sein. Umgekehrt kann mangelnde Kommunikation bei Aufnahme in eine medizinische Einrichtung zur unbeabsichtigten Auslassung eines notwendigen Medikaments führen. Die Arzneimittelabstimmung bezieht sich auf einen formalen Prozess der Überprüfung aller verschriebenen Medikamente bei jedem Übergang der Pflege und kann dazu beitragen, Fehler und Auslassungen zu beseitigen.

Unzureichende Verschreibungspraxis

Zum Beispiel für die Erlangung der maximalen Wirksamkeit können zu wenige geeignete Medikamente verschrieben/nicht genutzt werden. Die Verschreibung von zu wenigen geeigneten Medikamenten kann Morbidität und Mortalität erhöhen und die Lebensqualität reduzieren. Ärzte sollten Arzneimittel in ausreichenden Dosierungen und bei entsprechender Indikation mehrere Medikamente verschreiben.

Zu den Medikamenten, die bei älteren Erwachsenen oft nicht ausreichend verschrieben werden, gehören Medikamente zur Behandlung von Depressionen, Alzheimer-Demenz, Herzinsuffizienz, Postmyokardinfarkt (Beta-Blocker), Vorhofflimmern (Antikoagulanzien) und Bluthochdruck. Auch werden Impfungen nicht immer wie empfohlen durchgeführt.

  • Beta-Rezeptorenblocker: Diese Medikamente senken bei Patienten mit Myokardinfarkt und/oder Herzinsuffizienz in der Anamnese die Mortalität und Krankenhauseinweisungen; dies gilt auch für ältere Patienten mit einem hohem Risiko für Komplikationen (z. B. Patienten mit Lungenerkrankungen oder Diabetes).

  • Antihypertensiva: Es liegen Leitlinien für die Behandlung von Hypertonie bei älteren Erwachsenen vor, und die Behandlung scheint selbst bei gebrechlichen älteren Menschen von Vorteil zu sein (Verringerung des Risikos für Schlaganfälle und größere kardiovaskuläre Ereignisse). Studien zeigen jedoch, dass der Bluthochdruck bei älteren Patienten oft nicht optimal eingestellt ist.

  • Pharmakotherapie bei Alzheimer-Demenz: Für Acetylcholinesterasehemmer und NMDA (N-Methyl-d-Aspartat)-Antagonisten wurde gezeigt, dass Patienten mit Alzheimer-Demenz von ihnen profitieren. Der Nutzen ist bescheiden und variabel, aber Patienten und Familienangehörige sollten die Möglichkeit haben, eine informierte Entscheidung über ihren Einsatz zu treffen.

  • Antikoagulanzien: Antikoagulanzien (sowohl Warfarin als auch die neueren direkten oralen Antikoagulanzien) reduzieren das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern. Obwohl mit einer Antikoagulation im Allgemeinen ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht, erhalten einige ältere Erwachsene, die von einer Antikoagulation profitieren könnten, diese nicht.

  • Impfungen: Ältere Erwachsene haben ein erhöhtes Risiko für Morbidität und Mortalität durch Influenza, Pneumokokkeninfektion und Herpes zoster. Die Impfraten bei älteren Erwachsenen können noch verbessert werden.

Bei älteren Patienten mit einer chronischen Erkrankung können akute oder damit zusammenhängende Störungen unterversorgt sein (eine Hypercholesterinämie kann z. B. bei Patienten mit chronische obstruktive Lungenerkrankung unbehandelt sein). Ärzte können diese Behandlungen unterlassen, weil sie befürchten, das Risiko unerwünschter Wirkungen zu erhöhen oder die Zeit zu verlängern, die erforderlich ist, um bei einem Patienten mit geringer Lebenserwartung von der Behandlung zu profitieren. Ärzte können meinen, die Behandlung der primären Störung sei alles, was die Patienten abhandeln können oder wollen, oder dass sich die Patienten die zusätzlichen Medikamente nicht leisten könnten. Patienten und Betreuer sollten aktiv an der Entscheidungsfindung über die medikamentöse Behandlung beteiligt werden, damit die Ärzte die Prioritäten und Sorgen der Patienten verstehen können.

Literatur

  1. 1. Tam VC, Knowles SR, Cornish PL, et al: Frequency, type and clinical importance of medication history errors at admission to hospital: a systematic review. CMAJ 173(5):510-5, 2005. doi: 10.1503/cmaj.045311

  2. 2. Wong JD, Bajcar JM, Wong GG, et al: Medication reconciliation at hospital discharge: evaluating discrepancies. Ann Pharmacother 42(10):1373-9, 2008. doi: 10.1345/aph.1L190

  3. 3. Forster AJ, Clark HD, Menard A, et al: Adverse events among medical patients after discharge from hospital. CMAJ 170(3):345-9.

  4. 4. The American Geriatrics Society 2019 Beers Criteria Update Expert Panel: American Geriatrics Society updated Beers Criteria® for potentially inappropriate medication use in older adults. J Am Geriatr Soc 67(4):674-694, 2019. doi:10.1111/jgs.15767

  5. 5. Hanlon JT, Semla TP, Schmader KE, et al: Alternative medications for medications in the use of high-risk medications in the elderly and potentially harmful drug-disease interactions in the elderly quality measures. J Am Geriatr Soc 63(12): e8-e18, 2015. doi: 10.1111/jgs.13807

Vorbeugung

Vor Ansetzen eines neuen Medikaments

Um das Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei älteren Menschen zu reduzieren, sollte der Arzt Folgendes tun, bevor ein neues Medikament angesetzt wird:

  • Eine nichtmedikamentöse Behandlung erwägen

  • Besprechen Sie mit dem Patienten und/oder den Betreuern die Ziele der Behandlung und legen Sie einen Zeitrahmen fest, in dem ein Nutzen der Arzneimitteltherapie erwartet wird.

  • Bewertung der Indikation für jedes neue Medikament (um den Einsatz unnötiger Medikamente zu vermeiden)

  • Altersbedingte Veränderungen in der Pharmakokinetik oder Pharmakodynamik und deren Wirkung auf die erforderliche Dosierung beachten

  • Wählen Sie die sicherste mögliche medikamentöse Behandlung für die Indikation (z. B. bei nichtentzündlicher Arthritis, Paracetamol anstelle eines oralen nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikaments [NSAID])

  • Potenzielle Interaktionen von Arzneimitteln mit Erkrankungen und mit anderen Medikamenten überprüfen

  • Beginnen Sie mit der niedrigsten wirksamen Dosis

  • So wenige Medikamente wie nötig verwenden

  • Komorbiditäten und ihre Wahrscheinlichkeit, zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen beizutragen, feststellen

  • Den Gebrauch und die Nebenwirkungen jedes Medikaments erklären

  • Klare Anweisungen dazu erteilen, wie die Patienten ihre Medikamente einnehmen sollen (inkl. Wirkstoff- und Markennamen, Buchstabieren jedes Medikamentennamens, Indikation für jedes Arzneimittel und Erläuterung der Formulierungen, die mehr als einen Wirkstoff enthalten) und wie lange das Medikament voraussichtlich notwendig sein wird

  • Verwirrung durch ähnlich klingende Medikamentennamen voraussehen und auf alle Namen hinweisen, die verwechselt werden könnten (z. B. Glucophage® und Glucovance®)

Nach Ansetzen eines Medikaments

Folgendes sollte nach dem Ansetzen eines Medikaments erfolgen:

  • Gehen Sie bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass ein neues Symptom arzneimittelbedingt ist (um eine Verschreibungskaskade zu vermeiden).

  • Überwachen Sie die Patienten auf Anzeichen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, inkl. Wirkstoffspiegelbestimmungen und anderen notwendigen Labortests.

  • Dokumentieren Sie das Therapieansprechen und erhöhen SIe die Dosen nach Bedarf, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

  • Überprüfen Sie regelmäßig die Notwendigkeit, die medikamentöse Therapie fortzusetzen und Medikamente, die nicht mehr notwendig sind, oder Medikamente mit einem größeren potenziellen Risiko als Nutzen zu stoppen.

Im Verlauf

Folgendes sollte permanent erfolgen:

Der Abgleich der Medikation ist ein Prozess, der dazu beiträgt, die Informationsweitergabe bzgl. der Medikation bei jedem Übergang innerhalb des Gesundheitssystems sicherzustellen. Der Prozess umfasst die Identifizierung und Auflistung aller Medikamente, die die Patienten einnehmen (Name, Dosis, Häufigkeit, Applikationsweg), und den Abgleich der entsprechenden Liste mit den Verordnungen des Arztes bei einem Übergang. Ein Abgleich der Medikation sollte bei jedem Wechsel (Aufnahme, Verlegung und Entlassung) vorgenommen werden.

Elektronische Auftragssysteme für Ärzte können auf potenzielle Probleme aufmerksam machen (z. B. Allergien, Notwendigkeit der Dosisreduktion bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, Arzneimittelinteraktionen). Diese Programme können auch dazu anregen, bestimmte Patienten engmaschig auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu überwachen.